Renten in der Zukunft: Klassentreffen

Im Jahr 2034 ist klar: wir arbeiten alle bis wir 82 sind, Millionen Menschen können keine Treppen mehr steigen und man trifft sich nur noch digital.

Eine VR-Brille liegt auf einem Tisch, angeleuchtet in pink-blauen Licht

Im Jahr 2034 steht man mit 70 Jahren noch mitten im Berufsleben und auf digitalen Klassentreffen Foto: Leung Cho Pan/PantherMedia/imago

Früher wollten alle wissen, was sie erwartet, heute haben die meisten schon von der Gegen­wart genug. Wir blicken trotzdem einmal im Monat immer ein Jahr voraus.

Wir schreiben das Jahr 2034. Auch in diesem Sommer findet das jährliche Treffen meines Abschlussjahrgangs am Sacklreuther Vinzenz-Saubua-Gymnasium für Hyperbegabte statt, und zum fünfzigsten Abi-Jubiläum möchte ich nach langer Absenz endlich einmal wieder mit dabei sein. Die grassierende Dackellähme D-20, die mittlerweile weltweit zwei Milliarden Menschen am Treppensteigen hindert, torpediert leider das übliche Beisammensein im Obergeschoss der Schulaula. Doch die virtuellen Alternativen haben sich zuletzt extrem verbessert.

Mit der App Class Reunion (auch für Gyndroid) verläuft die Feier sogar realer als real: Mit einem Virtual-Reality-Headset kann man in die vergrößerten Poren auf den Säufernasen der Mitschüler kriechen und landet dann im Labyrinth ihrer Hirnwindungen. Dort entscheidet man sich wahlweise für eine Dokumentarserie oder eine Powerpoint-Präsentation, mit deren Hilfe man verpasste Entwicklungen im Leben der Klassenkameraden aufholen kann. Im Modus „Crib & Ram“ könnte man sogar voneinander abschreiben oder den Strebern in der Reihe davor mit dem Geodreieck in den Rücken stechen, doch wer in unserem Alter möchte das schon noch? Viel lieber stehen wir zusammen an der virtuellen Bar herum, und unterhalten uns über unsere Tätigkeiten. Es ist schon interessant, was die Leute jetzt alle so machen. Da das Renteneintrittsalter auf 82 Jahre angehoben wurde, stehen wir mit unseren knapp 70 Lenzen ja noch mitten im Berufsleben.

Die Schlaumoser Vroni arbeitet als Nierenspenderin. Mithilfe des neu entwickelten Biontech forte activ wächst eine Niere innerhalb eines halben Jahres nach, sodass man dann stets alternierend die andere harvesten kann. Der Oberhuber Sepp (damalige Leistungskurse Bierbrauen und Fingerhakeln) ist Moonraker. Jedes Mal, wenn so ein reicher Magnat mit seiner Privatrakete abhebt, harkt er hinterher den Startplatz wieder ordentlich sauber.

Die Steißbauer Moni kommentiert als Bot für den Kreml, und der Seitenlehner Wastl ist Sanitary Controller am Rosenheimer Flughafen. Soll heißen, er putzt die Toiletten und füllt das Klopapier auf. Das freut mich. Früher war er der stärkste in der Klasse, und die Mädchen fuhren mega auf ihn ab. Mir hat er in der Dreizehnten in Reli immer den Schulranzen ausgeleert, und alle haben gelacht, wenn ich geweint habe. Jetzt hacke ich dafür mal eben seinen Class-Reunion-Account und leake die madenähnlichen Dickpics aus seinem Chat mit Frau Dr. Leichenmeier, unserer toten Sachkundelehrerin. Diesmal habe ich die Lacher auf meiner Seite.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Seit 2001 freier Schreibmann für verschiedene Ressorts. Mitglied der Berliner Lesebühne "LSD - Liebe statt Drogen" und Autor zahlreicher Bücher.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.