Rennspiel aus Nordkorea: Kein Stau in Pjöngjang
Der „Pyongyang Racer“ ist das angeblich erste in Nordkorea entwickelte Computerspiel. In der Hauptstadt der Hochhäuser kann man damit prächtig herumbonzen.
Süßlich klimpert sie aus den Boxen, die Mixtur aus Super-Mario-artigem 4-Bit-Pop und fieser Asia-Pornomucke. Ein gestrenges Comicgesicht guckt uns zu, während wir mit unserem Mercedesoriginaldigitalnachbau auf einer sechsspurigen Straße herumbrausen. Schaltung? Egal. Gas geben! Brumm, brumm. Links sind Hochhäuser. Rechts sind Hochhäuser. Ein breiter Grünstreifen, kein nerviger Bürgersteig in Sicht. Keine Straßenlaternen, keine parkenden Autos, kaum Verkehr: Wrrrrrrrrrrrrr…um? Wir sind in den Gegenverkehr geraten.
Die gestrenge Figur vom oberen Bildrand entpuppt sich als Volkspolizistin und warnt uns: Wir dürfen keine anderen Autos rammen, beim dritten Mal wird man uns sonst wegen „schlechten Fahrens stoppen“. In ihrem blauen Rock, dem irgendwo weit über dem Bauchnabel die Dienstjacke zusammenhaltenden Gürtel, der blauen Krawatte, rot-weißer Armbinde und angewinkelt gehobenem Arm strahlt sie eine Autorität aus, die nur von ihrer Steifheit übertroffen wird. Immerhin spricht sie Englisch.
Uns ist ihre Ermahnung egal, wir brausen so schnell weiter, wie wir können – was nicht besonders flott ist. Vorbei an kleineren Hochhäusern, größeren Hochhäusern, sehr hohen Hochhäusern und, tja, Hochhäusern. Unterbrochen wird das Brausevergnügen von kleinen Gegenständen, die auf der Straße liegen. Gegen die darf man fahren, um sie einzusammeln. Also, das würden wir gerne. Aber in Wahrheit verbirgt sich hinter den mitten auf dem Asphalt dahingammelnden Objekten meist eine Beschreibung eines Hochhauses, das dann auch noch meistens ein Hotel ist. Nun ja. Der Auftraggeber für das Spiel ist ein Reiseunternehmen namens Koryo Tours – eines, das Menschen nach Nordkorea bringt.
Manchmal handelt es sich – und das sind dann auch die Abwechslungen im Spiel – sogar um angepasst dargestellte virtuelle Häuschen am Wegesrand, die die Weisheit der großen Führer der Demokratischen Volksrepublik darstellen, Stadien, Vergnügungsorte, einfach toll hier. Unsere Aufpasserin erklärt uns dann, was dort zu sehen ist. Multifunktional, diese Volkspolizistin – Touristenführerin, Mahnerin und Warnerin in einem. Aber irgendwie scheint hier alles etwas eintönig und kahl.
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Da, plötzlich. Vor uns. Der Triumphbogen! „Ohne den Stau von Paris!“ schwärmt die Multifunktionsregimerepräsentantin vor. Toll. Brumm, weiter geht’s. Kaum ein Auto stört unsere Kreise, kein Fußgänger, Rad- oder Kinderwagenfahrer in Sicht, nicht einmal ein Müll- oder Polizeiauto will sich blicken lassen. Über Brücken, durch Einbahnstraßen, an Denkmälern vorbei – Pjöngjang ist wirklich die Autorennstadt schlechthin, wenn man das Spiel als Maßstab nimmt. Hier kann man nur gewinnen.
Die bezaubernde Begleitung gibt einem das Gefühl, dass einem gar nichts passieren kann und dass man einen stetigen automatisch anwesenden Beifahrer hat. An einem 150 Meter hohen Aussichtsturm überlegen wir, einfach auszusteigen und hochzufahren. „Tolle Aussichten“, verspricht die Staatsbeifahrerin. Aber auf was? Plattes Gelände mit vielen Hochhäusern? Wir fahren weiter. Bis wir auf dem Kim-Il-Sung-Platz direkt vor der „Großen Studienhalle des Volkes“ stehen. Schön. Fertig. Tschüss, Nordkorea. Dann lieber doch Stau.
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