Religiöse Unruhen in Kairo: Elf Menschen getötet
Bei Zusammenstößen zwischen Muslimen und koptischen Christen sind in Kairo elf Menschen gestorben. Es waren die schlimmsten Ausschreitungen seit dem Sturz von Expräsident Husni Mubarak.
KAIRO dpa | Bei schweren Ausschreitungen zwischen Muslimen und Christen in Ägypten sind in der Nacht zum Mittwoch in der Kairoer Vorstadt Mokattam elf Menschen getötet worden. Es waren die blutigsten Zusammenstöße seit dem Sturz von Präsident Husni Mubarak am 11. Februar. Sechs der Toten waren koptische Christen, die anderen fünf Muslime, teilte die ägyptische Generalstaatsanwaltschaft in Kairo mit. In den Krankenhäusern würden zudem 75 Muslime und 25 Christen wegen Verletzungen behandelt, fügte die Behörde hinzu.
Die Unruhen begannen am Dienstagabend, als Kopten mit einem Sitzstreik am Fuße des Mokattam-Hügels die Zugänge zu den darüber liegenden Vierteln blockierten. Sie wollten gegen die Zerstörung einer koptischen Kirche südlich von Kairo am vergangenen Wochenende protestieren. Muslimische Anwohner waren wegen der Blockade erbost. Eine wütende Menge ging mit Messern, Brandsätzen und abgebrochenen Flaschenhälsen gegen die Kopten vor. Auch Schusswaffen sollen zum Einsatz gekommen sein.
Die Christen setzten sich zur Wehr. Die Kämpfe weiteten sich auf benachbarte Viertel aus und wurden erst in den Morgenstunden vom Militär gestoppt. 15 Häuser von Kopten wurden in Brand gesetzt. Das Militär nahm 15 Menschen wegen illegalen Waffenbesitzes und Sachbeschädigung fest, teilte die Generalstaatsanwaltschaft mit. Über ihre konfessionelle Zugehörigkeit wurde nichts gesagt.
Ein Rechtsanwalt der koptisch-orthodoxen Kirche erklärte am Mittwoch, alle zehn ihm bekannten Toten seien Christen gewesen. Anlass für die Proteste waren Vorgänge in der 90 Kilometer südlich von Kairo gelegenen Ortschaft Sol. Dort hatten Muslime am Wochenende eine koptische Kirche in Brand gesetzt. Es war ein Racheakt, der sich an einem Familienstreit entzündet hatte, bei dem die Familienväter, ein Muslim und ein Christ, getötet worden waren.
Etwa 10 Prozent der rund 80 Millionen Ägypter sind Kopten. Viele von ihnen hatten sich in der Mubarak-Ära über Benachteiligung im Staatsdienst und beim Bau von Gotteshäusern beklagt. Andere hielten dem Regime zugute, dass sie vor islamischem Extremismus geschützt würden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Die Wahrheit
Der erste Schnee