Relegation um Bundesliga-Verbleib: Hertha soll auch mitgespielt haben

Das erste Relegationsduell gewinnt der Hamburger SV verdient im Berliner Olympiastadion. Hertha BSC passt sich schon mal dem Niveau in Liga zwei an.

Ein Bild des Jammers: Herthas Lucas Tousart (l.) im Modus der Verzweiflung.

Ein Bild des Jammers: Herthas Lucas Tousart (l.) im Modus der Verzweiflung Foto: Fabrizio Bensch/reuters

Einbrechende Quoten, fehlender Wettbewerb, Gehälter jenseits jeder Vorstellungskraft und eine heraufziehende WM in Katar. Die Vereine haben Probleme, ihre Stadien zu füllen. Dem Fußball ging es schon einmal besser. Die große Unterhaltungsmaschine ist nach der Pandemie ordentlich ins Stocken geraten – und stemmt sich urplötzlich gegen das Verschwinden: Die Rückkehr der Bundesliga-Urgesteine Werder Bremen und Schalke 04, die starken Platzierungen von Union Berlin und des 1. FC Köln, Stuttgarts Rettung in letzter Sekunde und die magische Nacht von Sevilla, die Eintracht Frankfurt den Titel in der Europa League brachte. All das bewegte die Fans, bescherte den Anbietern dann doch wieder Topquoten und den Fans Erinnerungen für die Ewigkeit.

Es war in den vergangenen Wochen kaum möglich, nicht in Emotionen zu ersaufen. Den Höhepunkt aus Bundesligasicht stellt nun also die Relegation zwischen Hertha BSC und dem Hamburger SV dar. Zwei abgestürzte Giganten, die Tradition atmen und seit langer Zeit mit den Quälgeistern des modernen Fußballs kämpfen. Die Berliner und auch die Hamburger hatten erst Geld an die Wand geworfen und sich, als das viele Geld nicht kleben blieb, in die Hände eines Investors begeben müssen.

Auf der einen Seite der erratische Lars Windhorst, auf der anderen der Logistikbaron Klaus-Michael Kühne, der mit einem Jahrzehnt Vorsprung vor seinem Hertha-Investorenfreund den HSV über den Abgrund gestoßen hatte. Mühsam haben sich die Rothosen über triste Zweitligajahre retten können und dank einer Siegesserie zum Saisonende erst mal für die Relegation qualifizieren können.

Hertha steht der Sturz und die Wiederauferstehung noch bevor. Trotz einer Finanzspritze von 374 Millionen war es Hertha ja gelungen, in den letzten Spielzeiten immer noch schlechter zu werden. Unzählige Trainer wurden verschlissen, das sportliche Siechtum schritt voran, auch nach dem Ende von Sportdirektor Michael Preetz und der baldigen Ankunft Fred Bobics. Der hatte Frankfurt und den Erfolg hinter sich gelassen, um näher an seiner Familie zu sein.

Schmieden von Umsturzplänen

Das Olympiastadion war längst vorbereitet fürs DFB-Pokalfinale. Die Zusatztribüne thronte über dem Marathontor und war wie ein großer Teil der Westkurve von Hamburger Fans besetzt. Die hatten das chaotische Ticketing der Hertha ausgenutzt. Hertha war offenbar von der Teilnahme an der Relegation überrascht worden. Anders ließ sich das Versagen im Vorverkauf nicht erklären. Einige Anhänger des Klubs aus dem Westend sprachen auch gleich von einem revolutionären Moment, schmiedeten Umsturzpläne. Wie das so ist, wenn etwas so Kostbares wie der eigene Klub zerfällt.

All das aber zählte nicht mehr mit Anstoß des ersten Relega­tionss­piels. Das Olympiastadion wurde zu dem Stadion, was es sein kann und so selten ist: zur wohl stimmungsvollsten Arena des Landes. Auf beiden Seiten sangen die Fans ihre Lieder und ließen sich in der Anfangsphase nur durch einige Fouls aus dem Konzept bringen. Beide Mannschaften benötigten Zeit, viel Zeit, um in dieses Spiel hinein zu finden. In der ersten Halbzeit sorgte allenfalls der VAR für Aufregung, der einmal gegen Hamburg und einmal gegen Hertha entschied. Kein Elfmeter – und kein Tor: Das nach Belfodils Kopfballtreffer in der 45. Minute, der mit einem erlösenden Schrei derer begleitet wurde, die es an diesem Abend mit dem Hauptstadtklub hielten.

Doch während Belfodil den Rasen küsste, verstummte das Stadion. Eine Fußspitze entschied über Herthas Schicksal, zumindest an diesem Donnerstagabend. Der VAR trat erneut als Dieb in Erscheinung, der dem Stadiongänger den Moment der Ekstase raubt und von dem später alle sagen, dass er doch korrekt gehandelt habe. Er raubt dem Spiel stets das Unmittelbare, ersetzt es durch das Kalkulierte.

Wie es so ist, wenn nichts kalkuliert ist, zeigte HSV-Mittelfeldmann Ludovit Reis in der zweiten Halbzeit, in der Hamburg wie ein Erstligist und Hertha wie ein Zweitligist spielte. Von der linken Seite schaufelte er einen Ball über den Berliner Torwartdebütanten Oliver Christensen. Geplant?

„Ein Tor ist ein Tor“, erklärte Torschütze Reis auf Englisch und fügte auf Deutsch hinzu: „Immer weiter!“ Und Felix Magath sprach schon in der Vergangenheit: „Wir haben die ganze Saison in der ersten Liga gespielt, der HSV in der zweiten. Wir müssen uns am Montag steigern, dass es so bleibt.“

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