: Rektorin kann bleiben
■ Fehlverhalten der Rektorin der 5. Gesamtschule im Fall des strangulierten Viktor mit Diziplinarmaßnahme geahndet
Köpenick. Die Rektorin der 5.Gesamtschule in Köpenick wird nicht ihres Postens enthoben. Wie berichtet, hatten drei Schüler am 15. Januar ihren 16jährigen Klassenkameraden Viktor nach der Sportstunde beinahe mit einem Seil erdrosselt und an einem Rohr aufgehängt. Die übrigen Schüler sahen zu. Die 37jährige Rektorin J., die die Schule kommissarisch leitet, hatte danach gravierende Fehlentscheidungen getroffen: Sie hatte Viktor allein zum Arzt geschickt, die Mutter des Opfers erst einen Tag nach dem Vorfall informiert, keine Anzeige bei der Polizei erstattet und die Schulaufsicht sogar erst drei Tage später benachrichtigt. Nach Anhörung der Betroffenen kamen die Schulaufsicht und der Köpenicker Volksbildungsstadtrat Joachim Munte (SPD) am vergangenen Donnerstag zu der Überzeugung, die Frau als Rektorin an der Schule zu belassen. Das Fehlverhalten wurde jedoch mit einer diziplinarischen Maßnahme geahndet, die nicht in Erfahrung zu bringen war.
Zum Vorwurf, Viktor allein zum Arzt geschickt zu haben, hat die Rektorin nach Angaben ihres Dienstherrn Munte erklärt, sie hätte nicht sogleich erkannt, was da eigentlich passiert sei. Viktors Hals sei leicht gerötet und etwas abgeschürft gewesen. Da der Junge jedoch gelacht und von einem „blöden Scherz“ gesprochen habe, hätte sie ihn auf dessen Wunsch hin allein gehen lassen. Sie habe Viktors Mutter am Tattag mehrfach anzurufen versucht, diese aber nicht erreicht. Für die vom Diensttelefon in der Schule unternommenen Versuche gibt es laut Munte Zeugen, aber nicht für den Abend. Daß sie keine Anzeige erstattete, habe die Schulleiterin damit begründet, sie hätte abwarten wollen, ob Viktor und dessen Mutter selbst Anzeige erstatten würden.
Wie der Volksbildungsstadtrat gegenüber der taz betonte, bedauert die Rektorin ihr Verhalten zutiefst. Der Fall habe sie persönlich „außerordentlich mitgenommen“. Bei der Anhörung sei offenkundig geworden, daß sie „viel“ aus dem Vorfall gelernt und seither „eine ganze Menge in der Schule gemacht“ habe. Aus all diesen Gründen, so Munte, wäre es „kontraproduktiv gewesen“, die Frau abzusetzen. Wichtigstes Anliegen der Rektorin sei es nun, „intensiv“ daran zu arbeiten, daß sich der schlechte Ruf der Schule verändere. Bislang hätten die Verantwortlichen der 5.Gesamtschule nicht wahrhaben wollen, daß es dort Schwierigkeiten mit rechtsextremistischen und gewalttätigen Schülern gebe. „Genau das“, so Munte, „ist das Problem.“ Ferner wolle die Rektorin daraufhinwirken, daß in der Schule „Vertrauenslehrer installiert“ würden. Großes Kopfzerbrechen bereite dabei allerdings noch die Frage, wie diese Lehrer effektiv wirken könnten, ohne ihre Informanten zu gefährden: Wenn ein von Erpressung oder Nötigung betroffener Schüler den Lehrer einschalte, sei dem Täter doch sofort klar, wer dem Lehrer die Information gegeben habe.
Der Oberschulrat bei der Senatsschulverwaltung, Wilfried Seirig, erklärte: Was Viktor wiederfahren sei, „überbietet in seiner Brutalität alles, was an Berliner Schulen bisher dagewesen ist“. Vergeichbar damit sei nur der Anschlag auf den Rektor der Steglitzer Hermann-Hollerith-Berufsschule, der von einem Schüler ein Messer in den Rücken bekam. Daß Einzelgänger als Opfer ausgesucht würden, sei äußerst typisch, sagte Seiring und forderte die Lehrer auf, „dieses Verhalten im Unterricht zur Sprache zu bringen“. plu
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