Reintegration in Afghanistan: Gespräche mit Taliban laufen bereits
Schon Anfang Januar haben Tailban und der UN-Missionschef, Kai Eide, über Sicherheitsgarantien gesprochen. Die Taliban reagieren widersprüchlich auf die Friedensangebote.
BERLIN/LONDON taz | Die Anbahnung möglicher Gespräche mit den Taliban ist offenbar weiter als bisher bekannt. So traf sich der scheidende UN-Missionschef in Afghanistan, Kai Eide, bereits Anfang Januar in Dubai mit Taliban-Vertretern. Dies berichtete die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf einen ungenannten UN-Mitarbeiter am Donnerstagabend vom Ende der Londoner Afghanistan-Konferenz.
Das Treffen zwischen Eide und Kommandeuren der sogenannten Quetta-Schura soll am 8. Januar stattgefunden haben und sei auf Initiative der Taliban zurückgegangen. Sie hätten nach Sicherheitsgarantien gefragt und die Befürchtung geäußert, nach einem Ausstieg im afghanischen US-Gefängnis Bagram zu landen. Eide dementierte gegenüber der BBC den Termin des Treffens, wollte sich jedoch weiter nicht äußern.
Ein UN-Sprecher in Kabul sagte am Freitag: "Die afghanische Regierung führt alle Versuche, dem Land Frieden und Stabilität zu bringen. Wie immer ist die UN bereit nach ihren besten Möglichkeiten dabei zu helfen." In London befragte Vertreter Afghanistans und der USA erklärten, sie wüssten nichts von Gesprächen.
Mitte der Woche hatten die Vereinten Nationen fünf ehemals hochrangige Taliban, die seit Jahren offen in Kabul leben, von ihrer Sanktionsliste gestrichen. In London forderte der afghanische Präsident Hamid Karsai die UN auf, weitere Taliban von der Liste zu nehmen. UN-Missionschef Eide forderte von den USA, die Freilassung in Bagram einsitzender Taliban zu prüfen. US-Außenministerin Hillary Clinton sprach sich grundsätzlich für Gespräche mit den Taliban aus: "Man schließt keinen Frieden mit Freunden, sondern muss bereit sein, mit seinen Gegnern zu sprechen."
Die Konferenz beschloss ein Reintegrationsprogramm für Taliban-Mitläufer. Für politische Verhandlungen mit der Taliban-Führung gibt es noch keine konkreten Pläne. Doch will Karsai noch im Frühjahr eine "Friedensversammlung" durchführen, auf der künftige Schritte besprochen werden sollen. Auch bat er den saudischen König um Vermittlung. Eide sagte in London: "Der Reintegrationsprozess ist wichtig. Aber er muss von politischer Versöhnung begleitet sein."
Die Taliban reagierten widersprüchlich auf die Angebote. Eine Taliban-Webseite bezeichnete sie als "gegenstandslos". Hingegen erklärte ein Sprecher gegenüber Nachrichtenagenturen, die Taliban würden bald über das Friedensangebot entscheiden. Gestern griffen vier Selbstmordattentäter in Laschkar Gah, dem Hauptort der Südprovinz Helmand, ein Gebäude an. Zwei der Angreifer starben. Am Mittwoch hatten US-Truppen bei Kabul einen Imam in seinem Auto erschossen, der sich verdächtig verhalten haben soll.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Fortschrittsinfluencer über Zuversicht
„Es setzt sich durch, wer die bessere Geschichte hat“