Reiner Wandler über die spanische Regierungsbildung: Schlaflose Nächte
Der spanische Sozialistenchef Pedro Sánchez wird nun so manche schlaflose Nacht verbringen, denn König Felipe VI. hat ihn mit der Regierungsbildung beauftragt. Das wird keine leichte Aufgabe sein in einem zersplitterten Parlament, in dem erstmals vier große Blöcke sitzen: die noch amtierende konservative Partido Popular (PP), der rechtsliberale Ciudadanos, die junge Anti-Austeritäts-Partei Podemos und Sánchez’ PSOE.
Der Sozialistenchef will in zwei Richtungen verhandeln. Zum einen hat er das Angebot von Podemos-Chef Pablo Iglesias, eine „fortschrittliche Regierung des Wandels“ zu bilden. Zum anderen streckt er seine Fühler Richtung rechtsliberale Ciudadanos aus.
Die drittplatzierte Podemos will in einem Linksbündnis ein umfangreiches Sozialprogramm durchsetzen. Iglesias besteht außerdem auf einem Kabinett proportional zum Wahlergebnis. Podemos lag nur knapp hinter der PSOE. Für sich selbst fordert er den Posten des Vizepremiers. Sánchez scheint von diesem Angebot nicht gerade begeistert zu sein. Er hat knapp zwei Wochen verstreichen lassen, ohne auf Podemos zuzugehen.
Ciudadanos ist ebenfalls verhandlungsbereit, will aber auf keinen Fall ein Bündnis eingehen, an dem Podemos beteiligt ist. Das heißt: Nur wenn sich im zweiten Wahlgang die konservative PP enthält, könnte Sanchez mit einer PSOE-Ciudadanos-Koalition die Regierung stellen.
Egal mit wem Sánchez paktiert, seine PSOE steuert auf eine Zerreißprobe zu. Die Mehrheit der Basis will mit Podemos, der Parteiapparat nicht. Dort ist die Variante Ciudadanos beliebter. Der Druck ist immens. Denn eine solche stillschweigende Große Koalition wird derzeit von einigen einflussreichen Medien und Wirtschaftsvertretern unterstützt. So mancher Gegner der Sozialisten könnte versucht sein abzuwarten, bis der Gegner tot vorbeigetragen wird, um dann bei Neuwahlen Stimmen zu erben. Sánchez kann eigentlich nur verlieren.Ausland
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