: Reife Wüteriche?
■ Die Hamburger Punkveteranen „Slime“: immer noch schnell, laut und hart
„1980 trieb uns eine ganze Menge Haß an. Die Musik drückte Haß aus und die Gruppe stand für Haß. Ende 1983 begann sich meine Haltung zu ändern. Mitten in einem Konzert und bei bester Stimmung im Publikum, das mittlerweile auch auf der Bühne pogte, war die ganze Situation austauschbar geworden. Die neue Platte bringt Slime auf den Punkt, aber von diesem Haß habe ich nichts mehr,“ resümiert Stefan Mahler seine Einschätzung zu der Band, für die er neben dem Gitarristen Elf als Texter, Hauptkomponist und Schlagzeuger wesentliche Arbeit leistet.
Was ist Slime heute? Hamburgs aggressivste Rock-Produktion, schnelle Anti-Faschisten mit Power-Chords oder ein Haufen reifer Wüteriche? Slime spielen auch heute noch schnell, laut und hart, und es ist schwer, sich an eine Zeit zu erinnern, in der der Komparativ dieser drei Adjektive noch nicht nach einem Witz geklungen hat.
Slime haben einen guten Grund, musikalisch bei ihren Leisten zu bleiben. Diese Gruppe hat mit ihrer Musik immer angedeutet, daß ihr Anlaß von außen kam. Die „Gesellschaft“ und das „System“ rückten den jungen Männern seit den späten 70ern nah genug, um das Liedermachen zur Verteidigung angemessen erscheinen zu lassen. In diesen Liedern ging es weniger um persönliche Zerrissenheit als um die Empörung gegen das tagtägliche Erlebnis, in etwas Falsches, Verlogenes, Mieses hineingezogen zu werden.
Dieser Ansatz hat sich auch auf Schweineherbst gehalten. Nur hat Mahler ihn inzwischen erweitert: „'Genug' ist ein Stück über meine frühere Freundin. Daran kann ich sehen, daß auch bei einer Gruppe, die mit alten Erwartungen zugeschüttet wird, neue Unternehmungen möglich sind“, weist er auf einen Text hin, der die Dichte der Liebeslyrik von Erich Fried erreicht. Natürlich gibt es auch Stücke über das Altern und die innere Verhärtung, welche kein Punkrock-Leben, keine bewußtseinsaufmischende Szene und keine Mitgliedschaft im Fan-Club des FC St.Pauli verhindert.
„Stillstand“ bedeutet bei Slime, nicht ab dem Moment einen anderen Kampf zu kämpfen, ab dem man merkt, daß der Gegner erfolgreich dein Gesicht mit seinem Antlitz zu überkleben begonnen hat: „Sag, was ist das für eine tiefe Rinne/ die dir quer über den Schädel geht/ Ist das vielleicht der Ansatzpunkt, wo man dich/ tagtäglich immer weiter in den Boden dreht?“ singt eine der interessantesten Gruppen der Stadt. Auch wenn ihre Stücke manchmal allzusehr nach zusammengefaßten Grundsatzgesprächen klingen.
Kristof Schreuf
3.Juni, Große Freiheit, 22 Uhr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen