Regulierung des Finanzmarktes: Obamas Reform vorm Durchbruch
Der US-Senat hat einem neuen Gesetzentwurf für eine strenge Finanzmarktregulierung zugestimmt. Jetzt fehlt nur noch die Einigung mit dem Abgeordnetenhaus.
BERLIN taz | In den USA steht die umfassendste Finanzreform seit der Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre kurz vor dem Durchbruch. Schärfere Regeln sollen künftig für fast alle Finanzgeschäfte gelten, von Kreditkarten bis Hedgefonds. Der Senat in Washington hat am Donnerstag mit 59 zu 39 Stimmen einem entsprechenden Gesetzentwurf zugestimmt.
Jetzt müssen noch die Senatsversion und der etwas weniger strenge Entwurf, den das Abgeordnetenhaus im Dezember beschlossen hatte, miteinander in Übereinstimmung gebracht werden. So will der Senat den Banken den Eigenhandel, also die Spekulation auf eigene Rechnung, bei Gefahr verbieten und sie zwingen, Teile ihres lukrativen Derivategeschäfts abzustoßen.
Überhaupt soll der als besonders riskant geltende Handel mit Derivaten wie Swaps oder Options dem Senat zufolge nur noch auf überwachten Handelsplattformen stattfinden. Die Abstimmung zwischen den beiden Entwürfen dürfte noch ein paar Wochen in Anspruch nehmen, doch wird mit einer Verabschiedung eines Reformgesetzes allgemein gerechnet.
Beiden Gesetzentwürfen gemein sind stärkere Aufsichtsbefugnisse für die Notenbank Fed und die Überwachung der größten Finanzinstitute durch einen neuen Rat für systemische Risiken. Wenn eine Bank vor der Pleite steht, soll sie von Behörden übernommen, zerschlagen und abgewickelt werden können, ohne dass die Steuerzahler dafür bluten müssen.
Außerdem solle eine neue Verbraucherschutzbehörde etwa Hauskäufer vor windigen Hypothekenangeboten und Kreditkartenbesitzer vor Wucherkonditionen schützen. Alle größeren Hedgefonds sollen der Regulierung unterliegen, und Aktionäre sollen bei den Bankerboni ein Wörtchen mitzureden haben.
Für US-Präsident Barack Obama stellt das Senatsvotum nach der Verabschiedung der Gesundheitsreform den zweiten innenpolitischen Durchbruch dar - einen Sieg, der in den Worten Obamas "gegen Horden von Lobbyisten und Millionen von Werbedollars" durchgefochten werden musste. Um 13 Prozent dürften die Profite der größten US-Banken durch die neuen Regeln schrumpfen, hatte zuvor die Investmentbank Goldman Sachs geklagt.
Die USA lassen so die Europäer mit ihren Regulierungsbemühungen glatt links liegen. Hier geht es hauptsächlich um eine Registrierungspflicht für Hedgefonds, eine Beteiligung der Banken an den Kosten der Krise etwa durch eine Finanztransaktionssteuer oder eine viel kleinere Finanzaktivitätssteuer und um das Verbot von ungedeckten Leerverkäufen, durch die Kursstürze noch beschleunigt werden können. Die sind in den USA schon seit 2008 verboten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen