Regionalparlament in Nordirland: Keine Regierung ist auch keine Lösung
Im Schatten des Brexit wird in Nordirland eine neue Regionalregierung gewählt. Oder auch eine alte. Sinn Féin hat nun die EU für sich entdeckt.
Für die britische Regierung kommt die Regierungskrise in Nordirland zu einem schlechten Zeitpunkt. Premierministerin Theresa May will Ende des Monats die EU-Austrittserklärung ihres Landes nach Brüssel schicken. Eigentlich will sie dabei mit den Regionalregierungen in Schottland, Wales und Nordirland zusammenarbeiten. Doch in Nordirland wird es auf absehbare Zeit wohl keine Regierung geben.
Laut dem Karfreitagsabkommen von 1998, das Nordirland den Frieden brachte, muss die nordirische Regierung aus einer Koalition von Katholiken und Protestanten bestehen. Die stärksten Parteien auf der jeweiligen Seite sind die DUP mit 38 Sitzen und Sinn Féin mit 28 Sitzen, und beide Parteien werden auch nach den Wahlen die Mehrheit der Sitze – sie werden von 108 auf 90 reduziert – stellen.
Ob Sinn Féin erstmals die DUP überflügeln kann, ist zwar nebensächlich, da die Premierministerin und ihre Stellvertreterin gleichberechtigt sind, aber es wäre für das Selbstbewusstsein der protestantischen Bevölkerungsmehrheit ein schwerer Schlag.
Michelle O’Neill, die Nachfolgerin von McGuinness als Fraktionschefin von Sinn Féin, will keine Koalition mit der DUP eingehen, wenn Foster nicht auf ihr Amt bis zum Abschluss der Untersuchung gegen sie verzichtet. Das könnte sechs Monate dauern, vielleicht sogar ein Jahr. Wenn jedoch zwei Monate lang keine Regierung zustande kommt, droht eine Direktherrschaft von London. Ein Ende der regionalen Selbstverwaltung wäre ein Rückschritt im Bemühen um eine dauerhafte Lösung in Nordirland, zumal durch das britische Brexit-Votum weitere Unwägbarkeiten drohen.
Beim Referendum im Juni hatten 56 Prozent der Nordiren für den Verbleib in der EU gestimmt, zumeist aus dem protestantischen Lager. Die Folgen sind bisher unklar. Viele befürchten, dass wieder Grenzkontrollen eingeführt werden, obwohl alle Politiker beteuern, dass sie das nicht wollen. Täglich überqueren 35.000 Menschen die innerirische Grenze auf dem Weg zur Arbeit. Viele Bauern haben Felder auf beiden Seiten der Grenze. 38 Prozent nordirischer Exporte gehen in die Republik Irland.
Den Wahlkampf bestimmt eher Nordirlands düstere Vergangenheit. Alle verlassen sich darauf, dass die Wähler entlang der alten religiösen Trennlinien abstimmen. Sinn Féin hat aber nun die EU für sich entdeckt, die sie lange Zeit abgelehnt hatte. Die Partei will, dass Nordirland nach dem Brexit einen „Sonderstatus als EU-Mitglied“ erhält. Die britische Regierung hat das abgelehnt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund