Regionalbahnchaos in Brandenburg: Auf der schiefen Bahn

Die Regionalbahn 26 zwischen Ostkreuz und Kostrzyn versinkt im Chaos. Eine Initiative aus Betroffenen hat nun zu einem Runden Tisch eingeladen.

Ein Zug fährt über einen Bahnübergang

Sieht schnell aus, hat wahrscheinlich aber Verspätung: Die NEB Foto: Christian Ditsch

BERLIN taz | Mehr als 500 Mitglieder hat die Gruppe „NEB Gruppe (Linie 26)“ auf Facebook bereits. Die meisten von ihnen kommen aus Polen. Normalerweise verbindet die Regionalbahn 26 die polnische Kleinstadt Kostrzyn nad Odrą mit Berlin. Derzeit macht sie aber vor allem als Chaos-Strecke Schlagzeilen und erregt den Unmut von Pendlerinnen und Pendlern.

Friederike Fuchs hat die Facebook-Gruppe gegründet. Die RB 26 der Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) ist für die Architektin aus Müncheberg die Verbindung nach Berlin. Immer wieder kam es in der Vergangenheit zu Verspätungen und Zugausfällen. Seit Juni hat sich die Situation aber dramatisch verschlechtert. Im August verkehrten nur noch rund 60 Prozent der Züge wie vorgesehen auf der Strecke. Das geht aus dem Monitoring des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg hervor. Jüngere Zahlen gibt es nicht.

Inzwischen ist die Lage so chaotisch, dass Friederike Fuchs und ihre Mit­strei­te­rinnen und Mitstreiter die „Initiative für zuverlässigen Nahverkehr“ gegründet haben. Ihrem Aufruf zu einer Kundgebung Ende September in Müncheberg folgten rund 40 Menschen. Für diesen Montag hat die Initiative zu einem Runden Tisch eingeladen.

Pend­le­rin­nen betroffen

Vor allem Pend­le­rin­nen aus Polen sind von den Ausfällen betroffen. Denn derzeit gibt es gleich zwei Mal Schienenersatzverkehr auf der Strecke. Einmal von Kostrzyn auf die deutsche Seite der Oder nach Küstrin-Kietz. Der zweite Bus verkehrt wegen Bauarbeiten zwischen Küstrin-Kietz und Müncheberg. Beide Ersatzverkehre werden von der NEB bereitgestellt. Erst ab Müncheberg fährt dann wieder ein Zug. Wenn er fährt.

In der Facebook-Gruppe berichtet eine polnische Reisende von einer Verspätung des Busses von Müncheberg nach Küstrin-Kietz um 30 Minuten. „Das ist angesichts des Fahrpreises ein schlechter Scherz“, schreibt sie. In Küstrin-Kietz habe sie dann auf den nächsten Ersatzbus nach Kostrzyn warten müssen. Dabei hatte sie noch Glück: „Es gibt auch Leute, die nach Gorzów weiterfahren, denen bleibt am Ende nur ein Taxi“, schreibt sie.

Die Initiative von Friederike Fuchs hat einige der polnischen Erfahrungen zusammengestellt. „Es gibt Berichte von Pendler*innen, die von bis zu sieben Stunden Arbeitsweg sprechen, wenn es schlecht läuft“, heißt es da. „Von Küstrin-Kiez nach Müncheberg wird der Bus zunehmend voller und es kommt auch in diesem Bus immer wieder zu Konflikten.“

Aber auch auf der deutschen Seite staut sich der Ärger. Ein Mitglied der Facebook-Gruppe schreibt: „Ich habe meinen Mann heute lieber gleich nach Strausberg Nord gebracht. Das ist wenig ökologisch, aber wir mussten sichergehen, dass er rechtzeitig am Berliner Hauptbahnhof ankommt und es ist der einzige Weg dorthin ohne Schienenersatzverkehr. Doppelter Benzinverbrauch, doppelte Fahrtzeit für mich.“

Was hilft ein geplantes 49-Euro-Ticket, wenn man wegen ausgefallener Züge aufs Auto umsteigt? Auch Fragen wie diese sollen am Montag im Müncheberger Leibniz-Zentrum für Agrarlandforschung (ZALF) beim Runden Tisch besprochen werden. Zugesagt haben auch der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) und der Landrat von Märkisch-Oderland, Gernot Schmidt.

Wirtschaftliche Folgen

Das ZALF ist mit seinen 350 Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mitabeitern ein Beispiel dafür, dass eine Chaos-Linie wie die RB26 auch ein negativer Wirtschaftsfaktor ist. „Zugausfälle führen zu deutlich erhöhten Reisezeiten“, schreiben der wissenschaftliche und der administrative Direktor des ZALF, Frank Ewert und Martin Jank, in einem Brief an die Niederbarnimer Eisenbahn. „Das ZALF ist auf eine funktionierende und zuverlässige Verkehrsanbindung zwischen Müncheberg und Berlin angewiesen.“

Die Wirklichkeit sieht allerdings anders aus, sagen die Chefs des Instituts. Teile der Belegschaft würden wieder aufs Auto umsteigen, andere würden sich wiederum gegen eine Weiterbeschäftigung am ZALF entscheiden. „Die Rekrutierung von Mitarbeitenden gestaltet sich immer schwieriger, da die Standortanbindung zunehmend als Nachteil angesehen wird.“

Es ist ein Brandbrief, den Ewert und Jank da verfasst haben, und es ist nicht der einzige. „Ein nicht unerheblicher Teil unserer Beschäftigten ist auf einen zuverlässigen Transport angewiesen“, schreibt Darius Müller vom Bildungs- und Begegnungszentrum Schloss Trebnitz.

Strecke der RB 26

Richtig wütend ist der Bürgermeister von Buckow in der Märkischen Schweiz. Immer wieder bekommt Thomas Mix Beschwerden auf seinen Tisch. „Der Schaden für das nicht mehr vorhandene Vertrauen in die Zuverlässigkeit der RB26 ist enorm“, schreibt Mix in einem Protestbrief. Er schlägt vor, „die Verspätungen und Zugausfälle mit schmerzhaften Strafzahlungen“ zu belegen. „Erst dann wird diese jahrelange Hängepartie mit der RB26 und ihren leider gewohnten Verspätungen beendet sein.“

Probleme mit den Zügen

Die NEB will sich gegenüber der taz nicht zu den Ursachen für das Chaos auf der Strecke äußern. Man verschaffe sich derzeit einen Überblick, sagte ein Sprecher. Er versicherte aber, dass auch ein Vertreter der NEB am Montag beim Runden Tisch dabei sein werde.

Tatsächlich ist es im eigenen Interesse der NEB, die Probleme möglichst rasch abzustellen. Denn das Chaos auf der RB-Linie 26 bedeutet für die Eisenbahngesellschaft erhebliche finanzielle Verluste. „Bezahlt wird nur, was tatsächlich fährt.“ sagt VBB-Sprecherin Elke Krokowski. „Was nicht gefahren wird, wird nicht bezahlt.“ Das gelte auch für den Schienenersatzverkehr. „Jedes Verkehrsunternehmen muss einen angemessenen Schienenersatzverkehr zur Verfügung stellen.“

Für den Verkehrsforscher Moritz Filter liegt das Problem auf der Pend­le­rstre­cke im Nordosten Berlins auch bei den eingesetzten Zügen. „Vor einigen Jahren war die RB 26 noch vorbildlich“, sagt Filter, der an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) zu den grenzüberschreitenden Bahnverbindungen zwischen Deutschland und Polen forscht. Damals fuhr die NEB mit den Talent-Zügen des Herstellers Bombardier.

Mit dem Abschluss eines neuen Verkehrsvertrags bestellte die NEB wegen der gestiegenen Nachfrage auf der Strecke Link-Züge des Herstellers Pesa. „Doch da gab es von Anfang an Probleme“, weiß Moritz Filter.

Dass die NEB auf den „Pesa Link“ setzt, hat mit dem grenzüberschreitenden Betrieb auf der Strecke zu tun. Denn der Link ist einer der wenigen Züge, die sowohl im deutschen als auch im polnischen Bahnnetz zugelassen sind. „Das ist ein sehr kleiner Herstellermarkt“, sagt Filter. Hinzu kommt, dass für die Zeit, in der die Eisenbahnbrücke über die Oder neu gebaut wird, nicht einfach auf andere Züge umgestellt werden kann.

Dass dann auch noch das Streckennetz zwischen Müncheberg und Küstrin-Kietz erneuert wird, lasse die Probleme kulminieren. „Das ist ein denkbar schlechter Zeitpunkt“, sagt Filter. Schlecht ist das auch für die Verkehrswende. „Die Menschen wollen auf den schienengebundenen Verkehr umsteigen, aber der funktioniert nicht.“

In der Facebook-Gruppe berichten viele Reisende allerdings, dass nicht nur die Züge und der Ersatzverkehr nicht funktionieren, auch würden Zugausfälle und Verspätungen nicht in der VBB-App angezeigt. Doch das sei nicht das Problem des VBB, sagt Sprecherin Elke Krokowski. „Die Daten für die App speisen die Verkehrsunternehmen selber ein.“

Für den Runden Tisch am Montag hat die „Initiative für zuverlässigen Nahverkehr“ inzwischen einen Forderungskatalog vorbereitet. Im Mittelpunkt stehen ausreichend Sitzplätze beim Schienenersatzverkehr und ein aufeinander abgestimmter Fahrplan.

In der Facebook-Gruppe formuliert Friederike Fuchs aus Müncheberg eine weitere Forderung: „Eine Erstattung für die letzten Wochen wäre angemessen, niemand konnte sich mehr auf den Fahrplan verlassen.“

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