Region Casamançe im Süden Senegals: Isoliert vom Rest des Landes

Bislang findet Obst aus der fruchtbaren Casamançe nur schwer den Weg aus der Region. Der Machtwechsel im nahen Gambia soll Besserung bringen.

Ein Fluss schlängelt sich durch die Landschaft

Ziemlich fruchtbar: Ein Flussdelta nahe Ziguinchor in der Casamançe Foto: imago/Friedrich Stark

ZIGUINCHOR taz | Noelle Niouky stellt auf ihrem Verkaufstisch ein Glas mit Mangomarmelade neben das nächste. Auch kleine Tüten mit getrockneten Mangoscheiben, die in einem kräftigen Gelbton leuchten, gibt es, dazu Säfte, deren wichtigste Zutat der Cashew­apfel ist, die Frucht des Acajoubaums. Der ist vor allem für seine Nüsse bekannt – „aber auch der Cashewapfel lässt sich prima nutzen“, erklärt Noelle Niouky, die in der Stadt Ziguinchor im Süden Senegals Marmelade und Getränke herstellt.

Doch wenn es nicht gerade einen Workshop an der Universität gibt oder eine Veranstaltung der Handelskammer, bleibt sie auf ihren Produkten sitzen. „Dabei eignet sich die Casamançe hervorragend für Landwirtschaft. Unsere Böden sind sehr fruchtbar“, seufzt Noelle Niouky.

Die Casamançe ist isoliert. Vom Rest Senegals trennt sie das Nachbarland Gambia, das durchquert oder mühsam umfahren werden muss. Im Süden grenzt die Casamançe an das noch ärmere Guinea-Bissau. Jeder Transport ist teuer und aufwändig. Am günstigsten ist die Fähre zwischen Dakar und Ziguinchor. Aber auch die, sagt Noelle Niouky, „ist so teuer, dass ich lieber weniger produziere und vor Ort verkaufe“.

Ändern könnte das nun die politische Entwicklung in Gambia. Unter dem im Dezember 2016 abgewählten Präsidenten Yahya Jammeh gab es zuvor ein ständiges Kräftemessen mit Senegal. Das kleine Gambia kann den Senegalesen das Leben schnell schwermachen, indem es die Verbindungen zwischen Nord und Süd blockiert. Vergangenes Jahr ließ Jammeh zeitweise den Zoll für Lastwagen von umgerechnet 6 auf 600 Euro erhöhen. Manchmal wurden die Grenzen auch komplett geschlossen. Eine Katastrophe für frische Produkte.

Aber nach Jammehs Abgang und dem Antritt seines gewählten Nachfolgers Adama Barrow hoffen in der Casamançe viele Menschen auf eine verbesserte politische Beziehung. Barrow verdankt es Senegals Armee, dass er überhaupt im Amt ist: Die griff im Januar in Gambia ein, als Jammeh seine Wahlniederlage nicht hinnehmen wollte, und erzwang den Machtwechsel. Mehrfach ist Barrow seitdem mit Senegals Präsident Macky Sall aufgetreten. Zölle wurden gesenkt, Handelsschranken abgebaut.

Aufgehobene Reisewarnung in Frankreich

In Ziguinchor ist Jean-Paul Ehemba, Vorsitzender der Handelskammer und Betreiber des größten Hotels, jetzt verhalten optimistisch. „Ich gehe davon aus, dass diese politischen Schwierigkeiten gelöst werden können“, sagt er. Verbesserungen in der Casamançe seien seit der Wahl von Senegals Präsident Sall 2012 sichtbar. „Im Vergleich zu früher gibt es einen Dialog zwischen den Konfliktparteien sowie mit der Bevölkerung.“ Deutlich mache das die im vergangenen Herbst aufgehobene Reisewarnung Frankreichs, die jahrzehntelang galt.

Fühlt sich die Region nicht mehr so abgehängt, könnte das den Unabhängigkeitsbefürwortern den Wind aus den Segeln nehmen. Casamançe ist Schauplatz eines der längsten Sezessionskonflikte der Welt: Seit 1982 fordert die bewaffnete „Bewegung der Demokratischen Kräfte der Casamançe“ (MFDC) die Trennung vom Senegal.

Die Casamançe: Im 15. Jahrhundert machten portugiesische Händler an diesem Teil Westafrikas Station. Daraus entstand im 19. Jahrhundert „Portugiesisch-Guinea“. 1885 trat Portugal den Nordteil davon, die heutige Casamançe, an Frankreich ab und behielt den Südteil, das heutige Guinea-Bissau. Die Casamançe wurde Teil Senegals.

Der Konflikt: 1982 startete mit dem Niederreißen der senegalesischen Flagge in Ziguinchor durch Aufständische der Casamançe-Krieg. Die Separatisten wurden aus Guinea-Bissau unterstützt. Ihr Führer Abbé Diamacoune starb 2007.

Viele Befürworter gehören der ethnischen Minderheit Diola an – wie übrigens auch Gambias Expräsident Jammeh – und sind völlig frustriert vom fernen Dakar. In den vergangenen Jahrzehnten wechselten sich Ausschreitungen, Verhaftungen, Schießereien und Waffenstillstandsabkommen ab. Die MFDC spaltete sich, und 5.000 Menschen sind insgesamt ums Leben gekommen. In Ziguinchor beklagen Bewohner bis heute, dass zerstörtes Eigentum nie ersetzt wurde.

Auch wenn die Situation der Casamançe heute so gut wie noch nie in den vergangenen drei Jahrzehnten ist, bleiben viele Menschen skeptisch. Zu ihnen gehört Seynabou Male Cissé, die mehr als 200 nichtstaatliche Organisationen zur „Plattform der Frauen für den Frieden in der Casamançe“ zusammengeschlossen hat. „Seit 2012 gibt es zwar keine Attacken und keine direkte Konfrontation mehr“, sagt sie. Doch gelöst sei der Konflikt nicht: „Die Minen sind noch da, die Anhänger der MFDC weiterhin mit ihren Waffen in den Wäldern. Wirklich Frieden haben wir noch nicht.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.