Regierungskrise in Irland: Vier weitere Minister zurückgetreten
Nach dem Rücktritt des irischen Außenministers haben am Mittwoch vier weitere Minister ihr Amt niedergelegt. Premierminister Cowen kann so vor der Parlamentswahl noch sein Kabinett umbilden.
DUBLIN/LONDON afp/dpa | Nach dem irischen Außenminister Micheal Martin haben vier weitere Minister ihren Rücktritt eingereicht. Gesundheitsministerin Mary Harney, Verteidigungsminister Tony Killeen, Justizminister Dermot Ahern und Verkehrsminister Noel Dempsey hätten ihre Rücktrittsgesuche am Mittwochabend eingereicht, berichteten am Donnerstag der öffentlich-rechtliche Sender RTE und die Zeitung Irish Times. Das Kabinett in Dublin verlor damit gut ein Viertel seiner Minister.
Die Irish Times hob hervor, die Rücktritte ermöglichten eine von Premierminister Brian Cowen geplante Regierungsumbildung vor der für März geplanten Parlamentswahl. Die Ernennung der neuen Minister werde für die nächsten ein bis zwei Tage erwartet.
Nach einer dramatischen Vertrauensabstimmung und dem Rücktritt von Außenminister Micheal Martin am Dienstag bereitet sich Irland auf Neuwahlen vor. Der grüne Koalitionspartner forderte von Premierminister Brian Cowen und seiner Fianna-Fail-Partei nach einem Treffen am Mittwoch einen frühen Wahltermin. "Im März - nicht im April", sagte Grünen-Parteichef John Gormley. Aus Regierungskreisen verlautete, ein Termin im März sei "denkbar". Die Opposition warf Cowen erneut ein Spiel auf Zeit vor.
Cowen hatte die parteiinterne Abstimmung am späten Dienstagabend mit klarer Mehrheit für sich entschieden. Sein Widersacher, der bisherige Außenminister Micheal Martin, konnte keine Mehrheit für die Ablösung Cowens als Parteichef organisieren. Cowen wird nun vorübergehend die Amtsgeschäfte des zurückgetretenen Martin mit übernehmen.
Irland wird seit mehr als zwei Jahren von einer tiefgreifenden Finanzkrise erschüttert. Das Land ist hoch verschuldet und auf Hilfen aus dem Rettungsschirm von EU und Internationalem Währungsfonds angewiesen. Opposition und parteiinterne Kritiker werfen Cowen und seiner Regierung schwere Fehler im Krisenmanagement vor. Er selbst hofft nach Meinung seiner Kritiker, durch Zeitgewinn aus dem Umfragetief zu kommen und doch noch eine Chance auf einen erfolgreichen Wahlausgang zu erhalten.
Die Grünen hatten bereits im vergangenen Herbst eine Neuwahl noch im Januar gefordert, nachdem Cowen und sein Finanzminister Brian Lenihan nur mit großer Mühe eine parlamentarische Mehrheit für ihren Sparhaushalt 2011 organisieren konnten. Cowen hatte damals erklärt, er werde zur Wahl aufrufen, wenn alle Arbeiten rund um den Anfang Dezember verabschiedeten Haushalt 2011 erledigt seien. Als wahrscheinlicher Termin galt bisher der 25. März.
Die Fianna-Fail-Partei als größerer Koalitionspartner und ihr Spitzenmann Cowen sind in Umfragen weit abgerutscht. Die Sympathiewerte Cowens erreichen nur noch einstellige Prozentsätze. Außenminister Martin hatte deshalb zur Ablösung Cowens aufgerufen und für einen neuen Spitzenkandidaten seiner Partei plädiert. Cowen ist seit 2008 Premierminister, als er das Amt vom zurückgetretenen Bertie Ahern übernahm, aber nicht vom Volk gewählt worden war.
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