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Regierungsbildung in SpanienRajoy verliert erneut im Parlament

Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy konnte sich auch bei der zweiten Abstimmung nicht durchsetzen. Eine Neuwahl wird wahrscheinlicher.

Kommt in Madrid nicht weiter: Mariano Rajoy Foto: reuters

MADRID ap | Zum zweiten Mal innerhalb von drei Tagen ist der geschäftsführende spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy im Parlament in Madrid mit einer Regierungsbildung gescheitert. Wie bereits bei der Vertrauensabstimmung am Mittwoch stimmten nur 170 Abgeordnete für sein Vorhaben, eine Minderheitsregierung zu bilden. 180 Parlamentarier votierten dagegen. Damit steuert Spanien auf die dritte Parlamentswahl innerhalb von zwölf Monaten zu.

Das Parlament hat noch bis zum 31. Oktober Zeit, eine Regierung zu finden. Der seit 2011 im Amt befindliche Rajoy hat gelobt, weiter um Unterstützung werben zu wollen. Andere Parteichefs wie der Anführer der Sozialisten, Pedro Sánchez, könnten sich ebenfalls an der Bildung einer Regierung versuchen. Hat keiner von ihnen Erfolg, werden erneut Neuwahlen ausgerufen, die voraussichtlich am 25. Dezember stattfinden würden.

Rajoys konservative Volkspartei PP führt kommissarisch die Regierungsgeschäfte weiter, nachdem weder die Parlamentswahl im Dezember 2015 noch die nach gescheiterten Koalitionsverhandlungen erfolgte Neuwahl im Juni aus dem politischen Patt herausgeführt hatten. Die Abstimmungen bedeuteten das Ende des Zweiparteiensystems in Spanien, in dem sich Konservative und Sozialisten an der Regierung abgewechselt hatten. Zwei neue Parteien etablierten sich bei den Wahlen: die linke Unidos Podemos und die liberale Partei Ciudadanos.

Die Ciudadanos waren nach Zugeständnissen der PP zu einem Regierungsbündnis bereit. Doch beide Parteien haben zusammen noch keine Mehrheit im Parlament.

Unerreichte einfache Mehrheit

Wie am Mittwoch erhielt Rajoy am Freitagabend die Unterstützung der 137 Abgeordneten seiner Partei sowie die 32 Stimmen des Bündnispartners Ciudadanos und eines Abgeordneten von den Kanaren, mit denen er eine Minderheitsregierung bilden wollte. Die Sozialisten und Podemos stimmten gegen ihn, ebenso wie Abgeordnete kleiner Regionalparteien.

Nachdem am Mittwoch die absolute Mehrheit für Rajoy notwendig gewesen war, hätte diesmal die einfache Mehrheit gereicht. Deshalb hatte der kommissarische Regierungschef die Sozialisten gebeten, sich zumindest zu enthalten und so den Weg für eine Minderheitsregierung frei zu machen. Sánchez erklärte jedoch, dass seine Partei wie andere niemals einen Politiker unterstützen könnten, den sie für eine hohe Arbeitslosenquote, politische Korruption und schmerzhafte Einstriche im Gesundheitswesen und bei der Bildung verantwortlich machen.

Meinungsumfragen weisen darauf hin, dass auch eine dritte Parlamentswahl kein entschieden anderes Wahlergebnis zutage fördern würde. Sie zeigen auch, dass die meisten Spanier keine Lust haben, nochmals wählen zu gehen. Stattdessen setzt die Mehrheit von ihnen darauf, dass die Parteien sich zu einer Lösung durchringen.

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2 Kommentare

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  • Niemand will davon sprechen. Aber jetzt kann man sagen dass die spanische verfassung 1978 nicht so gut war wie más immer gesagt hat. Weil sie keine Lósung für die heutige Umstände hat.

    Ausserdem gibt eine Schwierigkeit: Dass die Masse der PP Wähler überhaupt nicht kümmert die Korruption im Partei, Korruption die, meiner Meinung nach, strukturell ist. Also es handelt sich nicht einfach um eine Anhäufung von individuelle Fälle, sondern etwas, im Gebäude der Partei selbst die Korruption ganz bequem akzeptiert.

    Aber das Land funktioniert. Mit einer grossen Arbeitslosigkeit aber zum Aungenblick stabil.

    Was mir weh tut ist der Mangel an eine politische Kultur, nicht nur in Spanien sondern, im allgemeinen, in ganz Europa. Tja, und so ein Mangel der Politiker an Ideen und Projekte, wirklich Projekte.

  • Tja, dann muß wohl solange gewählt werden, bis das Ergebnis der Schmarotzerkaste von Parteibonzen in den Kram passt. Wahrscheinlich würde es Wunder wirken, wenn man die Zahlung der Abgeordnetendiäten von der Existenz einer funktionsfähigen Regierung abhängig machen würde.