Regierungsbildung im Iran: Eine Frau im neuen Kabinett
Das Parlament in Teheran entscheidet über Ahmadinedschds Kandidaten und lehnt drei von 21 ab. Die meisten Stimmen gehen an den international gesuchten Verteidigungsminister.
TEHERAN/BERLIN afp/taz | Zweieinhalb Monate nach seiner umstrittenen Wiederwahl hat Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad im Parlament die Rückendeckung für sein Kabinett erhalten. Die Abgeordneten billigten am Donnerstag die Ernennung von 18 der 21 von ihm vorgeschlagenen Kandidaten, unter ihnen erstmals seit der Islamischen Revolution auch eine Frau.
Die 50-jährige Marsieh Wahid Dastdscherdi wird neue Gesundheitsministerin im Iran. Sie hat sich in der Vergangenheit dafür eingesetzt, dass Frauen nur von Frauen und Männer nur von Männern behandelt werden.
Von den 18 vom Parlament gebilligten Kandidaten gehörten sieben bereits der bisherigen Regierung Ahmadinedschads an. Die meisten wurden mit mehr als den erforderlichen 143 von 286 Stimmen bestätigt. Abgelehnt wurden der designierte Energieminister Mohammed Aliabadi und die Kandidatinnen für die Ressorts Bildung und Soziales, Susan Keschawars und Fatemeh Adschorlu. Letzterer wurden mangelnde Kompetenz und Unstimmigkeiten in ihrem Lebenslauf vorgeworfen.
Mit überwältigender Mehrheit von 227 Stimmen votierten die Abgeordneten für Ahmad Wahidi als Verteidigungsminister. Diese Personalie gilt als äußerst umstritten, da Wahidi wegen seiner mutmaßlichen Beteiligung an einem Anschlag von Argentinien international gesucht wird.
Ihm wird vorgeworfen, in ein Attentat auf ein jüdisches Kulturzentrum in Buenos Aires im Juli 1994 verstrickt zu sein, bei dem 85 Menschen getötet und 300 verletzt wurden. Seine Berufung sei eine "Ohrfeige für Israel", sagte Wahidi. Bei der Bekanntgabe des Ergebnisses durch den Parlamentspräsidenten Ali Laridschani riefen die Abgeordneten "Tod Israel".
Ahmadinedschad machte keine Angaben dazu, wen er nun für die drei verbleibenden Posten nominieren werde. Dafür hat er drei Monate Zeit.
Bis zuletzt stritt das Parlament über den designierten Ölminister Massud Mir Kasemi, der nur 147 Stimmen bekam, und den neuen Innenminister Mostafa Mohammed Nadschar (182). Der amtierende Handelsminister Hamid Resa Katusian warf Kasemi noch unmittelbar vor der Abstimmung mangelnde Kompetenz vor. Kasemi sei nicht in der Lage, die Interessen des Iran als zweitgrößtem Opec-Mitglied bei Treffen der Erdöl exportierenden Länder zu vertreten.
Nadschar stand in der Kritik, weil er als Kommandeur der Revolutionsgarden vom Verteidigungs- ins Innenministerium wechseln soll. Dies könne dem Ausland signalisieren, dass die "politische Atmosphäre militarisiert" sei, sagte der Abgeordnete Dschamschid Ansari.
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