Regierung streitet über Urteil: Post-Mindestlohn ist rechtswidrig
Das Gericht erklärt den Post-Mindestlohn für rechtswidrig. Wirtschaftsminister Glos (CDU) jubelt, Arbeitsminister Scholz (SPD) nicht.
BERLIN taz Ein Gerichtsurteil hat den Streit in der großen Koalition über den Post-Mindestlohn neu entfacht. Es zeige, "dass Mauscheleien vor Gericht keinen Bestand haben", sagte Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) in einem Interview. Das Urteil sei "ein Sieg für den Wettbewerb". Das Bundesarbeitsministerium hingegen legte umgehend Berufung ein. Die Entscheidung weiche von der Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts ab, sagte eine Sprecherin.
Der Mindestlohn per Entsendegesetz wird offenbar nicht auf weitere Branchen ausgeweitet. Eine Sprecherin der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG) bestätigte, dass es weder in der Fleischindustrie noch im Gastgewerbe dazu kommen werde. In der Fleischindustrie gebe es keinen Flächentarif mehr, im Gastgewerbe wollten die Arbeitgeber nicht verhandeln. Auch Friseure und Verkäufer können nicht auf den Mindestlohn hoffen. Ver.di spricht noch mit Entsorgern, die einen Mindestlohn erwägen, jedoch nicht ins Entsendegesetz wollen. Das Wachschutzgewerbe verhandelt noch. Nachdem eine Einigung mit Ver.di gescheitert ist, reden die Arbeitgeber mit den christlichen Gewerkschaften über Löhne, die unter der Ver.di-Forderung von 7,50 Euro liegen.
Das Berliner Verwaltungsgericht hatte am Freitagabend die Verordnung zum Postmindestlohn für rechtswidrig erklärt. Es gab damit der Klage mehrerer Post-Wettbewerber statt. Die PIN- und die TNT-Gruppe sowie der Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste hatten argumentiert, ein allgemeinverbindlicher Mindestlohn gefährde ihre Existenz. Das Gericht urteilte, die Bundesregierung habe zu Unrecht Tarifverträge der Postkonkurrenten nicht beachtet. Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) habe die "gesetzliche Ermächtigung überschritten, die nur Verordnungen erlaube, die nicht tarifgebundene Arbeitgeber und -nehmer betreffen".
Seit Anfang des Jahres gilt im Postgewerbe ein Mindestlohn zwischen 9,80 Euro im Westen Deutschlands und 8 Euro im Osten, den ein von der Post dominierter Arbeitgeberverband mit der Gewerkschaft Ver.di vereinbart hatte. Die Bundesregierung hatte ihn im Dezember über das Entsendegesetz für allgemeinverbindlich erklärt - seither dürfen Firmen diesen Lohn nicht mehr unterschreiten. Die Kläger hingegen hatten mit der Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste einen Lohn von höchstens 7,50 Euro vereinbart.
Wenn höhere Instanzen das Urteil bestätigen, wäre ein Grundprinzip des Entsendegesetzes hinfällig. Im Bundesarbeitsministerium gibt man sich trotzdem cool. Die Regierung habe eine fundierte Rechtsauffassung zur Rechtmäßigkeit der Mindestlohn-Verordnung, sagte die Sprecherin. "Die Verordnung bleibt weiterhin in Kraft." Der Postexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Klaus Barthel, sagte am Sonntag: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Urteil Bestand hat." Deshalb sei es richtig, dass der Arbeitsminister eine schnelle Prüfung durch höhere Instanzen anstrebe. Wenn die Sicht des Verwaltungsgerichts bestätigt werde, müssten auch Regelungen in anderen Branchen "neu aufgemacht" werden, sagte Barthel weiter.
Außer bei den Briefzustellern gilt über das Entsendegesetz geregelter Mindestlohn etwa auch bei den Gebäudereinigern und im Baugewerbe. Bis Ende März können weitere Branchen im Arbeitsministerium den Antrag auf Aufnahme ins Entsendegesetz stellen, bisher hat nur die Zeitarbeitsbranche Interesse
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