Regierung kürzt Sozialprogramme: Drastisches Sparen in Irland
Irlands Regierung will 15 Milliarden Euro in den nächsten vier Jahren einsparen. Gestemmt werden soll das auf dem Rücken der Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger.
DUBLIN taz | Irlands Arbeitslose müssen das Zocken der Bankiers finanzieren. Die Regierung in Dublin kürzt den Sozialetat in den nächsten vier Jahren um 2,8 Milliarden Euro. Das sind knapp 15 Prozent des Sozialbudgets. Allerdings müssen die Sozialhilfeempfänger ihren Lebensstandard nicht sofort herunterschrauben: 2011 werden erst 800 Millionen gestrichen.
Die Kürzungen sind Teil des 160 Seiten starken Vierjahresplans, den die Regierung gestern vorstellte. Bis 2014 sollen 15 Milliarden Euro eingespart werden, 2011 allein 6 Milliarden. Binnen vier Jahren will man die Neuverschuldung auf 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts senken. Zurzeit liegt sie bei mehr als dem Zehnfachen.
Die Kürzungen im Sozialbereich sind nicht die einzigen. Da im öffentlichen Dienst knapp 25.000 Stellen gestrichen werden, wird es so bald keine neuen Beamten geben. Die Qualität der Dienstleistungen werde dadurch aber nicht beeinträchtigt, sagte Finanzminister Brian Lenihan.
Durch eine Erhöhung der Einkommensteuer sollen 1,9 Milliarden zusätzlich in die Staatskasse fließen. Die Mehrwertsteuer steigt 2012 von derzeit 21 auf 22 Prozent, im Jahr darauf wird sie um 1 weiteres Prozent erhöht. Darüber hinaus wird eine Immobiliensteuer eingeführt.
Jahrelang hatte die Regierung ihren Haushalt durch die Steuer beim Immobilenverkauf finanziert. Da keine Häuser mehr verkauft werden, besteuert man sie eben erneut. Die Studiengebühren werden ebenfalls angehoben, 2014 werden Wassergebühren eingeführt. Viele Steuererleichterungen werden gestrichen.
Premierminister Brian Cowen sagte: "Wir tun das alles, weil wir unser Land lieben." Er sprach von der "Krise, die über unser Land hereingebrochen" sei, als ob seine Regierung wegen ihrer Steuerpolitik, die der Bauindustrie extrem zugutekam, nicht erheblich dazu beigetragen hätte. Die erwartete Rebellion seiner eigenen Partei ist am Dienstag allerdings ausgeblieben. Mehrere seiner Abgeordneten hatten ihn zwar zum Rücktritt aufgefordert, aber auf der Fraktionssitzung der Regierungspartei Fianna Fáil einigte man sich, das Thema auf Anfang des Jahres zu verschieben.
Cowen kündigte Neuwahlen für Februar an. Bis dahin müsse der Vierjahresplan sowie das Budget für 2011, das am 7. Dezember veröffentlicht wird, unter Dach und Fach sein. Das sei die Voraussetzung für die Hilfsgelder von Europäischer Union und Internationalem Währungsfonds in Höhe von 85 Milliarden Euro. Europas Finanzminister haben bestimmt, dass sie den Vierjahresplan der irischen Regierung jedes Jahr überprüfen. Falls die vorgegebenen Finanzziele nicht erreicht werden, könnte man Irland weitere Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen aufzwingen.
Das ist gar nicht so unwahrscheinlich. Die Agentur Standard & Poors hat Irlands Kreditwürdigkeit gestern erneut heruntergestuft, für langfristige Kredite liegt sie jetzt nur noch bei A. Frank Gill, der Sprecher der Agentur, sagte, er erwarte, dass Irland weiteres Geld in die maroden Banken pumpen müsse, die angestrebte Gesundschrumpfung der Banken werde Jahre dauern. Nach weiteren 3,2 Milliarden, die die Allied Irish Bank benötigt, gehört die Bank zu 99,9 Prozent dem Staat. Und auch an der Bank of Ireland, die ebenso viel neues Geld braucht, hält der Staat dann die Mehrheit.
Die maroden Banken legen dem Team von EU und IWF zurzeit ihre Zahlen zu den zu erwartenden faulen Krediten vor, um herauszufinden, wie viel Geld sie aus dem Rettungspaket eigentlich brauchen. Bisher haben sie bereits 60 Milliarden geschluckt, ein Ende ist nicht abzusehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe