Regieren in Schleswig-Holstein: Sparen bei Wackelmehrheit
Der schleswig-holsteinische Justizminister Emil Schmalfuß (parteilos) will die JVA Flensburg schließen um zu sparen. CDU und FDP haben nur eine Stimme Mehrheit im Landtag und ein Abgeordneter wackelt.
Der Justizminister hatte es sich so schön ausrechnen lassen: Mindestens 13,3 Millionen Euro bis zum Jahr 2020 wollte Emil Schmalfuß sparen, wenn das Flensburger Gefängnis erst mal geschlossen ist. Auf dieses Sparpotential kommt eine Berechnung seines Hauses. Doch ob Schmalfuß wirklich so seinen Beitrag zum großen Sparpaket der Kieler Regierung erbringen kann ist offen: Im Dezember wird der Haushalt im Landtag behandelt, und da hat die schwarz-gelbe Koalition nur eine Einstimmenmehrheit. Ein abtrünniger Abgeordneter von CDU oder FDP reicht aus, um die Regierungsmehrheit wackeln zu lassen.
Der Wackelkandidat im Fall der JVA Flensburg könnte Werner Kalinka sein, der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion. "Es ist falsch, zu diesem Zeitpunkt bei guten Alternativen eine unumkehrbare Entscheidung zu treffen", sagte er laut Flensburger Tageblatt auf einer Podiumsdiskussion. "Ich werde meine Stimme erheben, und wenn ich alleine stimmen muss." Ein paar Tage später sagt er, über die endgültige Abstimmung sei "noch keine Entscheidung gefallen". Er sehe aber "Diskussionsbedarf".
Die schwarz-gelbe Landesregierung will die beiden kleinen Justizvollzugsanstalten in Flensburg und Itzehoe sowie das Abschiebe-Gefängnis in Rendsburg schließen. Bis 2020 sollen 24 der landesweit 887 Stellen im Justizvollzug abgebaut werden. Nach der Berechnung des Ministeriums fallen in Flensburg vor allem Kosten für Investitionen weg: 7,6 Millionen Euro. Auch bei Personalkosten, Bau und Bewirtschaftung werde gespart. Emil Schmalfuß sagte bei der Vorstellung der Studie: "Diese Zahlen basieren auf einer konservativen Berechnung." Ein eventueller Erlös bei einem Verkauf des Gebäudes sei noch nicht eingerechnet worden.
Mehrere Tausend Menschen haben am Donnerstag in Kiel gegen die Sparpolitik der Bundesregierung und der Landesregierung protestiert.
Unter dem Motto "Gerecht geht anders" hatten DGB und Sozialverbände zum Protest aufgerufen.
Vor dem Landtag in Kiel, in dem die Abgeordneten über Hartz IV und geplante Kürzungen bei Frauenhäusern und Mädchentreffs debattieren wollten. Redner war DGB-Chef Michael Sommer: "Die soziale Schieflage muss beseitigt werden", forderte er.
Den Parlaments-Haupteingang versperrten Demonstranten mit Hunderten Umzugskartons. CDU-Innenpolitiker Werner Kalinka regte an, über die Wiedereinführung der Bannmeile nachzudenken.
Doch es gab prompt Widerspruch: So sprach sich Schleswig-Holsteins Richterverband dagegen aus, das Gefängnis in Flensburg zu schließen. Die Folgekosten wären weit höher als vorgesehen. Die jüngst abgeschlossene Renovierung liefe ins Leere, Stellen würden im Wesentlichen nur verlagert, der Aufwand für Gefangenentransporte bei Gericht nehme stark zu. Außerdem sei ein "heimatnaher" Strafvollzug wichtig für die Resozialisierung von Straftätern, Besuche seien so einfacher möglich.
Eine Alternative zur Schließung wäre, die Personaleinsparungen über alle Gefängnisse im Land zu erbringen und überall an den Investitionen zu sparen. In Justizkreisen wird außerdem bezweifelt, dass so viele Investitionen in Flensburg nötig sind, um das Gefängnis zu erhalten, wie sie das Justizministerium in seinem Sparplan verbucht.
So ähnlich wie beim Flensburger Gefängnis laufen viele Debatten über einzelne Punkte auf der Sparliste der Landesregierung, und die ist lang: Blinde, Öko-Bauern, Frauenhäuser, Mädchentreffs, Schulen der dänischen Minderheit und viele mehr bekommen in Zukunft deutlich weniger. Außerdem wird massiv Personal eingespart, darunter auch Lehrerstellen.
Bis 2020 sollen jedes Jahr 125 Millionen Euro weniger ausgegeben werden, sodass danach keine neuen Schulden mehr gemacht werden, doch die Betroffenen murren, demonstrieren und legen manchmal Alternativvorschläge vor. Immer müssen die Fraktionschefs von CDU und FDP hoffen, dass keiner der eigenen Leute abspringt. Schließlich hat jeder Abgeordnete einen Wahlkreis, der betroffen sein könnte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!