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Reform im StrafgesetzbuchMord ist nicht gleich Mord

Justizminister Heiko Maas will den Mordparagrafen reformieren. Eine Expertenkommission schlägt kürzere Strafen vor.

Spurensicherung an einem Tatort in Nordrhein-Westfalen. Foto: dpa

Freiburg taz | Mord soll nicht mehr automatisch mit „lebenslänglich“ bestraft werden. Das schlägt eine von Justizminister Heiko Maas (SPD) eingesetzte Expertenkommission vor. Auch soll der Mordparagraf von NS-Terminologie befreit werden.

Das deutsche Strafrecht unterscheidet zwischen Totschlag und Mord. Totschlag ist jede vorsätzliche Tötung eines anderen Menschen. Der Totschlag wird zum Mord, wenn zusätzlich eines von neun Mordmerkmalen hinzukommt, zum Beispiel Grausamkeit oder Heimtücke. Ein Mord muss laut Strafgesetzbuch bisher stets mit lebenslanger Freiheitsstrafe sanktioniert werden.

Der Mordparagraf, der in seiner Kernstruktur aus der NS-Zeit stammt, gilt lange schon als reformbedürftig. Maas hatte deshalb im letzten Mai eine 15-köpfige Reformkommission eingesetzt, der Professoren, Anwälte, Richter und Ministerialbeamte angehörten. Jetzt legte sie ihren 909-seitigen Abschlussbericht vor.

Danach soll Mord in der Regel zwar weiterhin mit „lebenslänglich“ bestraft werden. „Im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit“ soll hiervon jedoch abgewichen werden können. Der Vorschlag ist weniger revolutionär, als er wirkt. In Einzelfällen hat die Rechtsprechung schon bisher bei Mord auf „lebenslänglich“ verzichtet, insbesondere wenn eine misshandelte Frau ihren gewalttätigen Ehemann im Schlaf tötete. Zwar ist hier das Mordmerkmal der „Heimtücke“ erfüllt, dennoch sah hier der Bundesgerichtshof die Höchststrafe nicht als zwingend an.

Justizminister Maas begrüßte den Vorschlag der Kommission: „Wir sollten der Rechtsprechung Gesetze an die Hand geben, aus denen heraus gerechte Urteile im Einzelfall möglich sind – statt wie bislang gerechte Urteile den Gesetzen auf Umwegen abtrotzen zu müssen.“ Maas stellte aber klar, dass sich in der Sache nichts ändern solle: „Es geht nicht darum, künftig denjenigen, der einen anderen Menschen tötet, milder zu bestrafen.“

Die Kommission schlägt außerdem vor, die Terminologie des Mordparagrafen zu ändern. Künftig soll er nicht mehr mit den Worten beginnen „Mörder ist, wer …“ Diese Formulierung entspreche der nationalsozialistischen Lehre vom Tätertypus. Es gebe aber keine geborenen Mörder. Stattdessen soll an die Tathandlung angeknüpft werden (etwa mit den Worten: „wer einen anderen Menschen tötet …“), wie dies bei anderen Delikten üblich ist. Auch hier stimmte Maas zu: „Wir wollen ein modernes Recht, das frei ist von der Sprache der Nazis.“

Der Justizminister kündigte an, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. In der Union bremst man jedoch. „Für uns hat die Reform des Mordparagrafen aktuell keine Priorität“, sagte Elisabeth Winkelmeier-Becker, die rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU.

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2 Kommentare

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  • "…Maas stellte aber klar, dass sich in der Sache nichts ändern solle: „Es geht nicht darum, künftig denjenigen, der einen anderen Menschen tötet, milder zu bestrafen.“…"

     

    Was eine verräterische Sprache.

    Es geht darum - jeweils die Gesellschaft zukünftig

    vor einem ihr gefährlichen Menschen zu schützen.

     

    An der 'zukünftigen' Gefährlichkeit aber -

    hapert es bei Tötungsdelikten - gerade auch bei Motd -

    bekanntlich regelmäßig & in einer großen Zahl der Fälle aber erheblich.

     

    So sehr eine Reform unabweisbar ist -

    So sehr erweist sich daher JuMi Maas einmal mehr als

    ein obersekundanerhaft-tumb-naiver Vertreter seines

    - öh Faches!

     

    Der unverhohlen das

    reaktionär-konservative Lager in ihren

    abwegig sachfremden Ressentiments bedient.

    SPezialDemokrat halt.

    • @Lowandorder:

      Vielleicht hat dem M. ja auch keiner verraten das dabei sowieso von den Schweizern abgeschrieben worden war.

       

      Ein sauberer Tatbestandskatalog ohne jeder Form von Gesinnungsjustiz der der M. ja auch anhängt (Hassverbrechen), wär schon ein Fortschritt.