Reform des Urheber-Gesetzes: Ministerin für Warnhinweise im Web
Mit Warnhinweisen auf dem Bildschirm sollen illegale Filesharer erzogen werden. Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger kündigte eine Reform des Urheber-Gesetzes an.
BERLIN taz | Die Justizministerin sympathisiert mit "automatischen Warnhinweisen" für illegale Datentauscher. Zugleich lehnt sie eine Kulturflatrate fürs Internet ab. Das sind die Kernpunkte einer Grundsatzrede zum Urheberrecht, die Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) am Montagabend in Berlin hielt.
Darin bekannte sich die Ministerin klar zum Urheberrecht. "Es sichert die Existenzgrundlage der Kreativen". Eine Bezahlung von Autoren durch den Staat oder reiche Mäzene sei keine Alternative, weil dies zu Abhängigkeiten führe. "Nur die individuelle Entlohnung der Leistung durch ein breites Publikum demokratisiert die Kultur und sichert die Vielfalt", so die Ministerin. Allerdings müsse das Urheberrecht auch im Internet-Zeitalter durchgesetzt werden, das sei die "vielleicht größte Herausforderung" in diesem Politikfeld.
Von einer Kultur-Flatrate, mit der Grüne und SPD liebäugeln, hält Leutheusser-Schnarrenberger wenig. Dabei müsste monatlich ein Pauschalbeitrag bezahlt werden, um im Netz alle urheberrechtlich geschützen Angebote frei nutzen zu können. Dies hätte nach ihrer Ansicht jedoch "einen gewaltigen Verteilungskampf der Urheber um die Einnahmen zur Folge".
Bisher werden User, die beim Download illegaler Musik oder Filme erwischt wurden, von spezialisierten Anwälten im Auftrag der Rechteinhaber kostenträchtig abgemahnt. Dies werde vielfach als ungerecht empfunden, weil es ohne Vorwarnung erfolge, so die Ministerin. Sie suche deshalb nach Alternativen zum Abmahnwesen.
Hoffnungen setzt sie auf ein Modell, das in den USA bereits praktiziert wird und in England im Herbst eingeführt werden soll. Dabei werden auch Internet-Provider wie T-Online in die Pflicht genommen. Wenn sie Urheberrechtsverstöße ihrer Kunden bemerken, soll dieser einen automatischen Warnhinweis auf dem Bildschirm sehen: "Hallo, was Du da gerade tust, ist illegal und verletzt das Urheberrecht." Dies könne erzieherische Wirkung haben.
Die Ministerin schränkt aber ein: "Eine gesetzlich angeordnete Kontrolle des individuellen Surfverhaltens kann es nicht geben." Das Warnhinweis-Modell könne für sie nur dann in Betracht kommen, wenn es "ohne Inhaltskontrolle und Datenerfassung zu realisieren wäre". Experten halten dies für fraglich.
Abgelehnt wird von der FDP-Politikerin auch eine Three-Strikes-Regelung nach französischem Vorbild. Danach würde einem Nutzer der drei Mal bei Urheberrechtsverstößen erwischt wurde, der Internetzugang gesperrt oder zumindest dessen Leistung gedrosselt. Leutheusser-Schnarrenberger hält solche Sanktionen nicht nur für einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Komunikationsfreiheit, sie seien vielmehr auch nicht zielgenau genug. Schließlich träfen sie alle Haushaltsangehörige, während zugleich der Rechteverletzer sein Tun von einem anderen Anschluss aus fortsetzen könne.
Neben dem Kampf gegen Internetpiraten benannte die Justizministerin in ihrer Grundsatzrede noch zwei konkrete Projekte. So will sie ein Leistungsschutzrecht für Zeitungsverleger einführen. Damit soll deren organisatorische Leistung unabhängig vom Urheberrecht der Journalisten geschützt werden. Die Verleger könnten damit verhindern, dass Online-Angebote der Zeitungen von anderen Netzfirmen kostenlos "ausgenutzt" werden. Damit dürften Dienste wie Google News gemeint sein, die Nachrichten aus dem Netz automatisch zusammenmischen.
Die Ministerin stellte allerdings klar: "Es geht hier nicht darum, den Informationsfluss im Internet zu beschneiden". Links auf Online-Zeitungen sollen kostenlos möglich bleiben, ebenso bloße Zitate. Leutheusser-Schnarrenberger warnte die Verleger auch, sie dürften von einem Leistungsschutzrecht keine "finanziellen Wunder" erwarten. Es bringe junge Leute nicht dazu, plötzlich eine Zeitung zu abonnieren. Die strukturellen Probleme der Zeitungsverlage müssten anders gelöst werden. Sie werde jedenfalls "keine Schonräume schaffen für Geschäftsmodelle deren Zeit abgelaufen ist", sagte Leutheusser-Schnarrenberger.
Konkret wurde die Justizministerin auch bei den "verwaisten Büchern" (orphan works). Hier will sie eine digitalen Nutzung ermöglichen, auch wenn der Autor längst gestorben und die Erben unbekannt sind. Denkbar sei etwa eine Online-Veröffentlichung in der Deutschen Digitalen Bibliothek, einem gemeinsamen nicht-kommerziellen Projekt von Bund, Ländern und Gemeinden, das Ende 2011 als Pilotprojekt starten soll. Die Ministerin geht davon aus, dass bei fast achtzig Prozent derLiteratur des 20. Jahrhundert die Rechteinhaber nicht mehr bekannt oder auffindbar sind.
Leutheusser-Schnarrenberger sah ihre Grundsatzrede als Auftakt für einen Dialog mit der Gesellschaft - obwohl sie anschließend keinerlei Fragen zuließ. In mehreren Anhörungen soll nun der sogenannte "3. Korb" der Urheberrechtsreform vorbereitet worden. Die ersten beiden Körbe (bzw. Pakete) waren 2003 und 2007 beschlossen worden.
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