Reform der Bundeswehr: Der Feierabendreformer
Wegen der Plagiatsaffäre ist Verteidigungsminister Guttenberg angezählt. Und jetzt hat er Probleme bei seinem wichtigsten Projekt: Der Bundeswehrreform.
Die Bundeswehrreform gehört zu den Projekten, die von dem hauptverantwortlichen Minister besondere Hingabe verlangen. Umso ärgerlicher ist es für Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), dass er sich seit Wochen mit Affären um die eigene Person und seine zusammengeklaute Doktorarbeit herumschlagen und die Reform quasi nach Feierabend erledigen muss.
Denn auch bei diesem überaus wichtigen schwarz-gelben Projekt gibt es viele Probleme. Und je angeschlagener der Minister ist, desto größer werden sie. So scheint es mittlerweile zumindest. Da wäre etwa die Frage nach einer Kampagne des Verteidigungsministeriums, Rekruten für die Bundeswehr anzuwerben. Denn mit dem Wegfall des Pflichtdienstes fehlt auf einmal der Nachwuchs.
Am Mittwoch wurde bekannt, dass vor allem die dem Minister wohlgesinnte Bild von den Anzeigen des Verteidigungsministeriums profitieren soll, die Opposition schimpft hinter den Kulissen über "Korruption". Am Freitag reichte ein Sprecher die Gesamtkosten der Kampagne für den Steuerzahler nach: Für 4,8 Millionen Euro wirbt das Ministerium in verschiedenen Medien. Anzeigen gibt es dabei bisher ausschließlich für Bild, Bild am Sonntag und bild.de.
Aus Regierungskreisen wurde am Freitag auch die Agentur bekannt, die für die Kampagne zuständig ist - es handelt sich um die Frankfurter Firma Zenith Media. Von hier sollen die Empfehlungen für die Werbeträger gekommen sein. Die Verträge wurden nach Auskunft eines Sprechers Ende 2010 geschlossen - in der Zeit, als der Hype um das Ehepaar Guttenberg in der Bild mit dem Titel "Wir finden die GUTT " einen Höhepunkt erreichte.
Und auch in einem anderen Bereich wird die Reform kein Selbstläufer. Denn die Reduzierung der Truppenstärke um 50.000 Soldaten wird mit der Schließung von Kasernen einhergehen - was bei den betreffenden Kommunen und dort ansässigen Bundestagsabgeordneten höchst unbeliebt ist. Die Heimat des Verteidigungsministers steht dabei besonders im Fokus: Mit 68 Standorten verfügt der Freistaat Bayern im Bundesländervergleich über die mit Abstand höchste Anzahl.
Für ein "sensibles Vorgehen bei den Standorten" wirbt nun vorausschauend die bayerische FDP in einem Positionspapier. Die Bundeswehr sei "in der bayerischen Bevölkerung fest verankert und höchst willkommen". Verfasser Joachim Spatz, Verteidigungsexperte der FDP-Bundestagsfraktion, macht klar, was er von Guttenberg erwartet: "Es sollte eher in Ballungszentren als im ländlichen Raum abgebaut werden." Allerdings liegen drei Viertel der Standorte in Bayern im ländlichen Raum.
Auch in der eigenen Partei bekommt der neuerdings angreifbare Minister in der Standortfrage keine volle Rückendeckung mehr. Der CSU-Landtagsabgeordnete Johannes Hintersberger fordert ebenfalls, dass "möglichst viele militärische Standorte und zivile Dienststellen in Bayern bestehen bleiben".
Ärger hat der Minister seit Monaten auch mit dem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Es geht um den Sparbeitrag, den Guttenberg im Bundesetat bis 2014 leisten muss - 8,3 Milliarden Euro. Guttenberg wollte dies lange nicht zahlen, doch Schäuble bestand darauf. Nun gesteht Schäuble Guttenberg eine Verschiebung um ein Jahr zu - doch das passt der FDP nicht. Denn damit will sich der Koalitionspartner nicht zufrieden geben, Parteichef Guido Westerwelle fordert einen Kabinettsbeschluss. Der wird nun kommen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Ausgang offen. Einfach ist nichts mehr für den Minister in diesen Tagen.
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