Referendum in Thailand: Ja zur neuen Verfassung
61,5 Prozent der Wähler befürworten den Entwurf, doch die Wahlbeteiligung ist gering. Jede Debatte erstickt die Militärregierung im Keim.
Die Militärregierung verteidigt die Verfassung als wichtigen Schritt hin zu einer zivilen Regierung. Sie sichert den Generälen aber nach wie vor eine gewichtige Rolle in der Politik des Landes und sieht vor allem eine lange Übergangszeit vor, ehe es wieder zu Wahlen kommen soll. Im Vorfeld hatte die Junta um Regierungschef und Putschführer Prayuth Chan-ocha jede Debatte über das Referendum im Keim erstickt. Für offene Kritik daran kündigte sie bis zu zehn Jahre Gefängnis an. Mehr als 100 Menschen wurden inhaftiert. Viele nach dem Putsch erlassene Notstandsdekrete sind weiter in Kraft, ohne dass das Parlament darüber abgestimmt hätte.
Zu mindestens einem Protest gegen die derzeitige Lage in dem Königreich kam es am Sonntag in einem Wahllokal in Bangkok. Dort zerriss ein Student und Aktivist seinen Wahlzettel und rief „Nieder mit der Diktatur, lang lebe die Demokratie“. Er wurde festgenommen. Mindestens 20 andere zerrissen offenbar zum Teil unabsichtlich ihre Zettel, kamen aber ebenfalls in Polizeigewahrsam.
Die größte Kritik hatte die in der neuen Verfassung festgelegte Übergangszeit zu einer zivilen Regierung von mindestens fünf Jahren hervorgerufen. Auch die Zusammensetzung des Senats aus 250 berufenen – also nicht gewählten – Mitgliedern sorgte für Empörung. So ist vorgesehen, auch Vertreter aus Militär oder anderen Sicherheitsbehörden zu ernennen. Analysten meinen, die neue Verfassung werde es leichter machen, Parteien aufzulösen, Politiker auf Linie zu halten oder ihres Amtes zu entheben.
Auf die Unterstützung von Arbeitern bauen
Nicht wenige sehen deshalb in der neuen Verfassung auch einen weiteren Schachzug des Militärs gegen die Verbündeten des früheren Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra, der 2006 durch einen früheren Militärcoup entmachtet worden war. Der Bruder von Yingluck und später sie selbst hatten seit 2001 jede landesweite Wahl gewonnen – dank ihrer populistischen Politik konnten sie auf die Unterstützung von Arbeitern und Landbewohnern bauen. Darüber zeigten sich die Elite des Landes, darunter auch das Militär, und Befürworter der Monarchie zunehmend entnervt.
Die vom Militär unter Prayuths Führung im Mai 2014 gestürzte damalige Regierungschefin Yingluck Shinawatra gab am Sonntag ebenfalls ihre Stimme ab. Allerdings hatte sie zuvor erklärt, gegen die Verfassung zu stimmen. In Thailand hat es bereits 13 erfolgreiche Militärputsche gegeben und elf versuchte, seit die absolute Monarchie 1932 durch eine konstitutionelle abgelöst wurde.
Das Referendum diente nicht zuletzt als Stimmungstest für die Beliebtheit von Prayuth, der seit dem Putsch für großen Unmut sorgt. Zugleich brachte seine Militärregierung aber eine gewisse Stabilität zurück und beendete die Gewalt zwischen den Anhängern der beiden politischen Lager.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Syrien nach Assad
„Feiert mit uns!“