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■ Referendum: Schottland stimmt für eigenes ParlamentPlädoyer für mehr Demokratie

Nein, die Schotten sind nicht geizig. Sie haben nicht nur mit deutlicher Mehrheit für ihr eigenes Parlament gestimmt, sondern dieses Parlament auch mit dem Recht ausgestattet, die Einkommensteuer um drei Prozent zu variieren. Daß dies im Endeffekt eine Steuererhöhung und keine -senkung bedeuten wird, weiß auch der blauäugigste Schotte.

Ein anderer Mythos wächst dagegen unaufhaltsam: Was Premierminister Tony Blair anfaßt, scheint ihm zu gelingen. Der Vertrauenskredit, den man ihm auch in Schottland entgegenbringt, hat es der Labour-Regierung ermöglicht, mit Allgemeinplätzen um die Ja- Stimmen zu buhlen. Da war von „Modernisierung“ und einem „besseren Schottland“ die Rede, als ob ein Regionalparlament per se ein Garant dafür ist.

Natürlich ist die geplante Dezentralisierung begrüßenswert: Zu lange haben Westminster-Politiker, für die hinter Birmingham das Reich der Landeier beginnt, über regionale Angelegenheiten entschieden, von denen sie keine Ahnung haben.

Etwas genauer hätte man aber schon gerne gewußt, wie denn nun das marode schottische Gesundheitswesen oder die Schulen den Sprung nach vorne schaffen sollen. Die läppischen drei Prozent Extrasteuern können es nicht sein, und auf einen Scheck aus London können die Schotten lange warten, da Labour die ererbte Tory-Ausgabenpolitik zum Dogma erhoben hat. Schottland hat dennoch mit ja gestimmt, weil Labour der Versuchung widerstanden hat, sich nördlich der Grenze ein kleines Herzogtum einzurichten. Da ein Teil der Sitze im schottischen Parlament durch proportionale Repräsentation vergeben wird, ist eine absolute Mehrheit für Labour keineswegs ausgemachte Sache – und das ist gut so: Die Bezirksverwaltungen, in denen Labour uneingeschränkt das Sagen hat, sind zu Spielwiesen drittklassiger Politiker geworden, Korruption und Vetternwirtschaft sind an der Tagesordnung. Das hat nichts mit „Old Labour“ zu tun, wie Blair-Anhänger weismachen wollen, sondern mit der politischen Kulturlosigkeit in einem Ein-Parteien-Minireich. Im neuen Regionalparlament wird man Labour genau auf die Finger schauen.

Und dabei können auch die schottischen Tories wieder eine Rolle spielen. Voraussetzung ist, daß sie zur Besinnung kommen. Sie müssen eine eigene schottische Identität entwickeln und dürfen sich nicht länger nur als Ableger der englischen Mutterpartei begreifen. Die Zeiten, als ein konservativer Großgrundbesitzer sich von seinen Vasallen ins Unterhaus wählen ließ, sind vorbei. Solange die Tories diese Tatsache ignorieren, bekommen sie in Schottland allerdings kein Bein auf die Erde. Ralf Sotscheck

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