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Archiv-Artikel

Reden vom Wunder

Die desaströse Hinrunde hat auch was Gutes

VON TORSTEN HASELBAUER

He, was geht ab?“ Gut 4.000 Hertha-Fans haben am Samstag in Hannover die Antwort schon von den Rängen gebrüllt: „Wir steigen niemals ab!“ So viele Anhänger sind selten zu einem Auswärtsmatch ihres Vereins gereist. Die Mannschaft bedankte sich dafür mit einem souveränen 3:0-Auswärtserfolg. Es war erst der zweite Saisonsieg nach 16 sieglosen Matches. Beim ersten Erfolg schien noch die Sonne und es war Sommer, der 8. August 2009. Hertha gewann mit 1:0, gegen Hannover 96. Gegen wen sonst?

He, was geht wohl ab, in dieser Rückrunde? Das Hannover-Spiel war hoffentlich der Beginn einer wundersamen Aufholjagd. Was nun folgen kann, ist für die Hertha die Chance überhaupt, das über Jahre eher distanzierte Verhältnis des Vereins zur Stadt und den Fans grandios zu kitten. In nur 17 Spielen und mit einer Erfolgsserie, die ab Samstag keiner mehr verpassen möchte. Zu den nächsten beiden Heimspielen gegen Borussia Mönchengladbach und dem VfL Bochum werden sicher 50.000 ins Olympiastadion pilgern. Jeder will Teil des Wunders von Berlin sein, das da in Hannover seinen Anlauf nahm. Augenzeuge sein einer berauschenden, mit mindestens neun Siegen gesegneten, fabulösen Rückserie, die es so in der Bundesligageschichte noch nie gegeben hat.

So liegt im Unglück, in der desaströsen Vorstellung der Hinrunde, auch etwas Gutes. Was wäre gewesen, wenn Hertha die vor der Saison ausgegebenen Ziele bieder eingehalten hätte? Sich also abwechslungsarm im gesicherten Mittelfeld platziert hätte, irgendwo zwischen Rang 9 und 13. Es wäre der Allerweltsfußball geworden vor rund 30.000 Zuschauern oder noch weniger, die sich da im riesigen Rund des Olympiastadions verlaufen hätten. Eine Rückserie ohne große Gefühle, ohne emotionale Bindungskraft zwischen Fans, Stadt und Verein. Grau und gepflegt langweilig wäre es zugegangen. Hertha, die alte Dame, das kreuzbrave Fußball-Fossil aus der Hauptstadt, hätte es wieder zu Recht geheißen. So wie immer. Nun sind diese Zeiten vorbei. Hannover sei Dank!