Rechtsterrorprozess in Frankfurt am Main: Er will nur provoziert haben

In Frankfurt steht ein junger Bombenbastler vor Gericht, der Anschläge geplant haben soll. Seine Befragung ist zäh – doch aufschlussreich.

Ein Schild, auf dem Angeklagter geschrieben steht

Im Gerichtssaal bleibt Marvin E. auf Fotos anonym Foto: Arne Dedert/dpa

Frankfurt/Main taz | Eine gute Stunde lang hat Richterin Bianca von Arnim den Angeklagten Marvin E. geduldig zu seinen weltanschaulichen und politischen Motiven befragt. Dann verliert sie die Fassung. Und zwar, als der 20-jährige Tischler-Azubi sich zu antisemitischen Klischees bekennt. Man erkenne Juden „an der Form der Nase“, erklärt er. „Sie wussten, wie man mit Geld umgeht.“

Dass in Nazideutschland Millionen Menschen jüdischen Glaubens ermordet worden sind, räumt Marvin E. ein. Doch „der Nationalsozialismus hätte funktionieren können“, sagt er. Aber bei der „Judenfrage“ sei er „entartet“. Hitler hätte die Juden doch stattdessen „rausschmeißen können“, statt sie zu liquidieren. Es ist der Moment, in dem die Richterin die Geduld verliert. „Bitte wohin denn?“, fragt sie. Doch darauf weiß der junge Mann keine Antwort.

Seit Anfang August muss sich Marvin E. aus dem nordhessischen Spangenberg vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main wegen schwerer Vorwürfe verantworten. Er soll versucht haben, eine terroristische Vereinigung zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat zu bilden. Im Haus seiner Eltern wurden 13 gefährliche Bomben gefunden, die er gebastelt haben soll, um in Deutschland einen „Rassenkrieg“ zu entfachen, um den geplanten „Austausch“ der Weißen Rasse abzuwenden, so die Anklageschrift.

2021 kandidierte er für die CDU

Doch vor Gericht antwortet der eher schmächtige junge Mann zögerlich, nur auf Befragen und in knappen, eher nichtssagenden Sätzen – auch am Freitag. Oft hat er „keine Ahnung“. Politisch verortet er sich zwar „eher rechts“, konkret aber wird er nicht. In seinem Heimatort hat er 2021 bei der Kommunalwahl für die CDU kandidiert. „Jedes Land soll für sich selbst sorgen“, lässt er seine „nationale Gesinnung“ erahnen und gibt dann doch unfreiwillig einen Einblick in seine krude Gedankenwelt.

Als ihm etwa bei der mühsamen Aufzählung der Weltreligionen allein die jüdische partout nicht einfallen will, fährt der Vorsitzende Richter Christoph Koller dazwischen. „Ich frage mich, ob Sie uns alle für blöd halten“, sagt er aufgebracht.

Auch schickte sich seine Familie in einem Whatsapp-Chat in den Monaten vor seiner Festnahme immer wieder Bilddateien mit Fotos von Hitler zu. „Den Adolf“ hätten sie „wie Emojis“, genutzt, erklärt Marvin E. Weil er es „witzig“ gefunden habe.

„Einfach witzig“ fand er auch eine andere Bilddatei aus seinem Chatverlauf. Man sieht einen weißen Mann auf einem Fahrrad, der mit einer Maschinenpistole auf einen fliehenden schwarzen Jungen zielt. Der Text zum Bild: „Wenn beim Grillen die Kohle wegläuft“. Richter Koller wird deutlich: „Eine dreifach rassistische Sauerei“, nennt er das Motiv. Der weiße Mann als Jäger, der Verfolgte, ein schwarzer Junge, der angeblich auf den Grill gehört. Doch der Angeklagte will nur provoziert haben.

Sein Manifest sei nur „Provokation“ gewesen

Dann wird das bei ihm aufgefundene Manifest unter dem skurrilen Titel „Aktion RanzeKacke“, mit dem E. unter dem SS-Symbol des Flügelrads, den rassistischen Kampf gegen die „Verschwörung der Schwarzen“ einleiten wollte, verlesen. Mit dem zu gründenden hessischen Ableger der US-Neonazi-Terrorgruppe „Atomwaffendivision (AWD)“ wollte er gegen „Juden und Kanaken“ vorgehen, auch um sie als „dumm und nicht lebenswert“ zu „dezimieren“, ist dort zu lesen.

Das alles sei nur als Provokation gedacht gewesen, sagt Marvin E.. „Teilweise wahr, teilweise Schwachsinn.“ Das Gericht signalisiert, dass es ihm das mit der Provokation nicht abnimmt und rät ihm, seine Prozessstrategie zu überdenken.

Vor der Unterbrechung des Prozesses läuft noch ein Youtube-Video des Angeklagten über die Bildschirme. Zu den Filmaufnahmen von marschierenden NS-Soldaten und den martialischen Klängen der historischen Wochenschau hört man die Stimme des Angeklagten, der einen zentralen Satz aus seinem Manifest vorträgt: „Der Feind muss vernichtet werden!“ Das passt schon eher zu den Waffen und Bombenfunden bei ihm, als seine verharmlosenden Aussagen im Prozess.

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Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

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