Rechtsstreit: Tausend Münzen für eine Frau
Gelten iranische Bräuche jetzt auch in der Pfalz? Ein Gericht in Zweibrücken spricht einer Frau eine "Morgengabe" zu - das klingt nach einer gekauften Braut. Kein Grund zur Aufregung, sagen Experten.
Es waren ungewohnte Worte, die in dieser Woche in einem Zweibrücker Gericht erklangen. Vom "Brautgeld" sprachen da die Juristen und vom Anspruch einer Frau auf eine "Morgengabe". Die Begriffe lassen aufhorchen. Gelten jetzt muslimische Mitgiftregeln - bei einem Rechtsstreit unter Deutschen? Schwingt bei der Bezeichnung Brautgeld nicht der Unterton mit, ein Mann würde eine Art Einkauf tätigen - statt eine gleichberechtigte Partnerin zu ehelichen?
Am Donnerstag veröffentlichte das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken ein vielbeachtetes Urteil: Demnach kann eine Frau das Brautgeld, das ihr nach iranischem Recht zusteht, auch hierzulande einfordern. Die Klägerin, die inzwischen geschieden ist, lebt wie ihr Exmann in Deutschland. Bei der Eheschließung 1994 verpflichtete sich der Mann zur Zahlung eines Brautgelds in Höhe von 1.000 wertvollen Goldmünzen. Später weigerte er sich, das Geld abzugeben, weil die Frau auf die Zahlung verzichtet habe. Die Richter waren anderer Meinung. Nach iranischem Recht könne die Ehefrau die Morgengabe jederzeit einfordern. In jedem Fall müsse sie bei einer Scheidung gezahlt werden. Der Exmann habe keine wirksame Verzichtserklärung der Klägerin vorgelegt. DPA
Der Fall ist selten, aber nicht außergewöhnlich in einer Zeit weltweiter Flucht- und Wanderbewegungen: Ein Paar heiratet im Iran. Es wird vereinbart, dass der Mann seiner Frau eine traditionelle Morgengabe zahlen muss - und zwar "tausend wertvolle Goldmünzen". Die beiden ziehen um nach Deutschland, erhalten einen deutschen Pass, zerstreiten sich und beschließen, sich scheiden zu lassen. Der Mann wähnt sich nun seiner Zahlungspflichten entbunden. Schließlich lebt er jetzt in einem Land, dessen Richter normalerweise nicht mit Gold und Gaben argumentieren. Zunächst schien es, als würde sich der Mann mit seiner Auffassung durchsetzen. Das Kaiserslauterner Amtsgericht gab dem Zahlverweigerer recht. Jetzt aber hob das Oberlandesgericht Zweibrücken diese Entscheidung auf. Für die Begründung tauchte es tief ab in die deutsche Rechtsgeschichte - und fand ein Abkommen aus dem Jahr 1929. Damals einigten sich das Deutsche Reich und das Kaiserreich Persien, dass beim Familienrecht die Vorschriften des Heimatlandes gelten sollen, auch wenn die Eheleute dort nicht mehr leben.
Das Urteil, so kurios es zunächst erscheinen mag, löst zwiespältige Empfindungen aus. Einerseits ist der betroffenen Frau selbst mit dem Urteil Gutes widerfahren. Immerhin kann sie sich nun auf solider Finanzbasis - der Streitwert beträgt 60.000 Euro - ein Leben ohne den Ex aufbauen. Betrachtet man allerdings das dahinter stehende Prinzip, wird der Beifall verhaltener. Der Begriff Brautgeld ist mit einem Subtext behaftet, der nicht gerade auf ein modernes Verständnis der Frauenrolle verweist.
Die juristische Sicht ist weniger verworren. Laut Mathias Rohe, Experte für internationales Privatrecht an der Uni Erlangen, ist das Urteil kein Skandal. Vielmehr entspreche es - auch ohne den Hinweis auf das fast 80 Jahre alte Abkommen - durchaus der gängigen deutschen Rechtspraxis. "Bei einschlägigen eherechtlichen Fragen gilt grundsätzlich das Recht des Landes, dessen Staatsbürger die beiden waren", sagt Rohe. Da das Paar bei der Hochzeit einen iranischen Pass besaß, gelten somit die iranischen Eheregeln weiter, auch wenn die beiden mittlerweile Deutsche geworden sind. Allerdings habe dies Grenzen, so Rohe. So dürften die ausländische Regeln nicht angewandt werden, wenn dies zu einem Ergebnis führen würde, das Menschenwürde oder Gleichberechtigung widerspricht.
Und genau dies ist bei dem aktuellen Fall der strittige Punkt: Was genau ist das Brautgeld? Geht es hier wirklich nur um eine Frage des Eherechts? Ja, sagt Rohe mit dem Verweis auf die gängige Rechtsauffassung: "Die Interpretation, dass es sich um einen Brautkauf handelt, hat sich nicht durchgesetzt. Heute sieht man das als soziale Absicherung für die Frau." Schließlich gehe das Geld ja an die Frau selber, nicht etwa an ihre Eltern. Auch Zümrüt Turan-Schnieders vom Deutschen Juristinnenbund hält die Entscheidung für "vertretbar". Der güterrechtliche Status, den ein Paar bei der Heirat vereinbart, gelte weiter - selbst wenn es die Staatsangehörigkeit wechselt.
Als großer Aufreger taugt das Thema also kaum. Ins Leere läuft, wer mal eben rasch Parallelen ziehen will zu jener Frankfurter Richterin, die vor einigen Monaten in die Schlagzeilen geriet: Sie hatte suggeriert, dass eine Frau, die einen Marokkaner heiratet, mit Gewalt in der Ehe rechnen müsse. Dies sorgte für breite Empörung, auch abseits der Frage, ob diese Einschätzung überhaupt der marokkanischen Praxis entspricht. Denn mit dieser Auffassung würden, anders als beim Brautgeld, auf jeden Fall elementare Rechte verletzt.
Immerhin aber wirft die aktuelle Debatte ein Schlaglicht darauf, wie herausfordernd der Alltag in deutschen Gerichten in einer sich durchmischenden Welt geworden ist. Das Urteil zeigt, wie schwer es ist, traditionelle Vorstellungen in eine moderne Rechtspraxis zu übersetzen - und nebenher auch noch ein zeitgemäßes Verständnis der Frauen- und Männerrolle zu verankern.
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