Rechtsradikaler Karl Polacek vor Gericht

Der FAP-Chef und Drahtzieher des neonazistischen Terrors im Raum Göttingen ist der gefährlichen Körperverletzung angeklagt  ■ Aus Göttingen Reimar Paul

Wegen „gefährlicher Körperverletzung“ muß sich ab heute, Mittwoch, der Neonazi und Multifunktionär der rechtsradikalen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiter-Partei“ (FAP), Karl Polacek, vor dem Duderstädter Amtsgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 56jährigen vor, einer jungen Frau „eine Axt mit der Schneide an die Stirn“ geschlagen zu haben, „so daß die Zeugin eine etwa drei Zentimeter lange Platzwunde an der Stirn sowie eine Schädelprellung davontrug“. Gemeinsam mit dem Skinhead Oliver Simon, der inzwischen wegen seiner mutmaßlichen Beteiligung an der Ermordung eines Bundeswehrsoldaten inhaftiert ist, hatte Polacek am 14. Juli letzten Jahres in Mackenrode bei Göttingen eine Gruppe von vier Frauen mit einem Beil und Leuchtspurmunition angegriffen.

Augenzeugen berichteten, Polacek und Simon seien an jenem Nachmittag mit einem Auto durch das Dorf patrouilliert, um nach möglichen Gegendemonstranten zu dem zuvor angekündigten Landesparteitag und „Gau-Treffen“ der FAP Ausschau zu halten. Verschiedene Gruppen hatten dazu aufgerufen, das Neonazi-Treffen zu verhindern. Unmittelbar vor der Attacke war es zwischen den vier Frauen und den Neofaschisten zu einem heftigen Wortwechsel gekommen.

In einer Fernsehsendung des Norddeutschen Rundfunks gab Karl Polacek am 8. Januar seine Version des Tathergangs zum besten: „Es ist ganz merkwürdig. Hier steh' ich neben dem Auto, hier hab' ich die Axt. Und statt daß sie um mich herumläuft, läuft sie gegen die Axt, ja.“ Befragt, wie er demonstrierenden Linken und AntifaschistInnen denn sonst gegenübertrete, hatte sich der gebürtige Österreicher in Spiegel-TV zwei Tage vorher anders geäußert: „Die wissen, wenn die hierherkommen, haben sie wenig Möglichkeiten, da wieder lebendig wegzukommen. Ich bin in meiner Jugend Holzfäller gewesen, und wenn ich zuschlage, dann ist der Kopf ab. Und meine Äxte sind scharf.“

Polaceks politische Laufbahn führte vom „Bund Heimattreuer Jugend“ und der radikaleren „Bündischen Jugend“ über die NPD zur FAP, in der er „Gau-Kassierer“, Schriftleiter, Bezirks- und Landesvorsitzender ist. Seit Beginn der achtziger Jahre tauchen in seinem zur Festung ausgebauten Blockhaus in Mackenrode regelmäßig Gruppen der neofaschistischen Wiking-Jugend auf, die in den umliegenden Wäldern Wehrsportübungen veranstalten und Sonnenwendfeiern zelebrieren. Am 20. Dezember 1986 zogen etwa 40 Teilnehmer mit Fackeln und dem schwarz-weiß-roten Reichsbanner durchs Gehölz, schmetterten NS-Lieder, sperrten eine Straße und kontrollierten die Papiere von Autofahrern. Am Osterwochenende 1987 überfielen knapp 50 Neonazis, die sich bei Polacek getroffen hatten, Türken im nahe gelegenen Northeim. Die nazistischen Computerspiele „Arier-Test“ und „Anti-Türken-Test“ wurden über eine Mailbox vertrieben, und im Februar 1990 brüstete sich Polacek damit, im Besitz einer umfangreichen Adressen- und Fotodatei der „Feinde des deutschen Volkes“ zu sein.

Obwohl selbst bislang nur wegen relativ geringfügiger Vergehen vorbestraft, gilt Karl Polacek als Drahtzieher der meisten rechtsextremistischen Gewalttaten im Göttinger Raum. Nacheinander zog er in seinem Wohnhaus einzelne Skinheads als „Stellvertreter“ und politische Vertraute heran: Ingo Kretschmann, der sich beim Bombenbasteln in die Luft sprengte, Thorsten Heise, dem die Staatsanwaltschaft versuchten Totschlag eines Asylbewerbers zur Last legt, und zuletzt den schon erwähnten Oliver Simon.

Die Rechtsanwälte der von Polaceks Axthieb getroffenen Frau wollen denn auch nicht nur über die Vorfälle vom 14. Juli, sondern auch über Polaceks Rolle und die Strukturen in der südniedersächsischen Nazi- und Skinhead-Szene Gericht halten lassen. Die „Göttinger BürgerInnen gegen Rechtsextremismus und Gewalt“ fordern, Polacek wegen versuchten Totschlags anzuklagen. Der Prozeß in dem kleinen Duderstädter Gerichtssaal wird im In- und Ausland verfolgt.