Rechtsextremismus: Gysi im Visier der Rechten
Das Wahlkreisbüro von Gregor Gysi in Niederschöneweide ist immer wieder Ziel rechter Angriffe. Mehrfach werden Scheiben eingeschmissen. Nun demonstrieren Rechte davor "gegen Faschismus"
Rechtsextreme haben am Mittwochabend vor dem Abgeordnetenbüro von Gregor Gysi (Linke) in Niederschöneweide eine Kundgebung abgehalten. Auf Transparenten forderten sie "Todesstrafe für Kinderschänder", "Jugend braucht Zukunft: Für ein nationales Jugendzentrum" und "Gegen Faschismus und Intoleranz". Mehrere Kundgebungsteilnehmer waren kaum älter als 15 Jahre. Nach Angaben von Hans Erxleben, Bezirksverordneter der Linken in Treptow-Köpenick, waren unter den Teilnehmern auch ehemalige Wortführer der verbotenen Kameradschaften "Tor" und "Berliner Alternative Südost" (Baso). Vereinzelt klatschten Passanten und Radfahrer auf der Brückenstraße in Niederschöneweide den Rechten Beifall.
Anlass der Kundgebung war eine Diskussionsveranstaltung der örtlichen Antifa und des Mobilen Beratungsteams zum Thema "Nazis in den Lokalparlamenten" in Gysis Büro. Nach Angaben von Erxleben haben die Rechten zuerst versucht, an der Veranstaltung teilzunehmen. Das sei ihnen verwehrt worden. Dann hätten sie über Megafon Losungen gebrüllt und sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu einer Kundgebung versammelt.
Polizeisprecher Carsten Müller bestätigt, dass die Kundgebung spontan angemeldet wurde. Das Motto hieß absurderweise: "Gegen Faschismus und Intoleranz". Aus Sicht der Polizei, die vor Gysis Büro stand, war der Verlauf friedlich. Das sieht eine Teilnehmerin der Diskussion: "Ich wurde auf dem Nachhauseweg von den Rechten verfolgt und gefilmt. Das habe ich als Bedrohung empfunden."
Erxleben hat Hinweise, dass die Rechten davon ausgingen, Gysi wäre selbst bei der Veranstaltung anwesend. "Die Kundgebung richtete sich auch gegen ihn." Das Büro des Linken-Fraktionschefs im Bundestag, ein Ladenlokal inmitten der rechten Hochburg Niederschöneweide, war in den letzten neun Monaten wiederholt angegriffen worden. Erxleben spricht von vier Zerstörungen der Fensterscheiben durch Steinwürfe und einem Eierwurf. Er vermutet dahinter die rechte Szene. Täter wurden jedoch nicht ermittelt. Die Polizei bestätigt dies, gibt darüber hinaus aber keine Auskünfte, welche Sicherheitsvorkehrungen für Gysis Büro bestehen.
Bei einem Anschlag im Herbst hatten Unbekannte das Fenster zerstört und einen Aufkleber der Kampagne "NO NPD - NPD-Verbot jetzt", der an der Scheibe klebte, so zerrissen, dass nur noch "NPD jetzt" zu lesen war. In einem zweiten Fall fanden sich rechte Aufkleber als "Bekennerschreiben" an der zerstörten Scheibe. Am 21. Juni wurde das Büro attackiert, nachdem Gysi in Köpenick eine Rede zu Ehren der Opfer der Köpenicker Blutwoche 1933 gehalten hatte.
Der Eierwurf fand erst vor zwei Wochen statt. Mitglieder des Bezirksvorstands der Linken standen vor dem Ladenlokal. Da flogen aus den oberen Etagen rohe Eier und trafen eine Bezirksverordnete. Sie erstattete Anzeige. Erxleben ordnet die Eierwerfer ebenfalls der rechten Szene zu.
Laut Wahlbüromitarbeiter André Schubert wurden alle diese Vorfälle angezeigt. Besonders sensible politische Veranstaltung - wie jene am Mittwoch - werden der Polizei vorher gemeldet. Schubert empfindet die Situation als "sehr unangenehm", will sich davon in der Arbeit aber nicht beeinflussen lassen. "An Umzug denken wir nicht - was wäre das für ein Zeichen?!" Gysi selbst war nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
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