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RechtsextremismusNPD wahlkämpft mit Hetzlied

In ihrem "Wahlkämpferlied" singt die Partei über Gewalt an Michel Friedman und über die "Heimreise" von Cem Özdemir. Grüne und jüdische Gemeinde finden: Das offenbart die Grundhaltung der NPD.

Bild: AP, Michael Sohn

Die NPD trifft bei ihrem Wahlkampf zur Brandenburger Landtagswahl und Bundestagswahl mal wieder den falschen Ton. In einem "Wahlkämpferlied" hetzt sie gegen Michel Friedman, den ehemaligen Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, und gegen den Grünen-Chef Cem Özdemir. Dafür preist die rechtsextreme Partei die NS-Verbrecher Heinrich Himmler und Erwin Rommel.

In dem Lied, das der NPD-Bundesverband auf seiner Homepage zum Herunterladen anbietet, muntert die Liedermacherin "Karin" zum Verteilen von NPD-Flugblättern auf. "Bei Himmler, Voigt und Rommel, da wirft man gerne ein", singt sie. Himmler zählt als Reichsführer der SS zu den Hauptverantwortlichen des Holocausts. Rommel war NS-Generalfeldmarschall. Wie selbstverständlich wird auch der aktuelle NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt zwischen die NS-Größen eingereiht.

Weiter heißt es: "Briefkastendeckel trommelnd, hau ich Friedman eine rein". Anschließend wird auch "Lesestoff für die Heimreise von Özdemir" besungen. Die Berliner Staatsanwaltschaft prüft nun einen Anfangsverdacht der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten und der Beleidigung.

Auch der Zentralrat der Juden wird Strafanzeige stellen, sagte Generalsekretär Stephan Kramer. "Dieses Aufstacheln zum Rassenhass mit einem offiziellen Wahlkampflied der NPD ist eine neue Qualität", so Kramer. Friedman habe mit Sorge auf das Lied reagiert, werde sich aber nicht einschüchtern lassen. Maya Zehden von der Jüdischen Gemeinde Berlin verurteilte das Lied als "verwerflich".

Für die Grünen-Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke zeigt die NPD mit ihrer Aktion "ungeschminkt ihre rechtsextremistische Grundhaltung". Lemke forderte eine zügige Einleitung von Ermittlungen. Für Isabelle Kalbitzer vom BerlinerVerfassungsschutz konterkariert die NPD endgültig ihren propagierten, bürgerlichen Anstrich. "Wenn das alles ist, was der NPD noch einfällt, zeigt das deutlich ihren Niedergang", so Kalbitzer.

Hajo Funke, Rechtsextremismus-Experte der Freien Universität Berlin, erkennt in dem Lied die Ideologie der NPD: "Aggressive Fremdenfeindlichkeit und heftiger Antisemitismus." Mit Michel Friedman und Cem Özdemir seien bewusst zwei prominente Repräsentanten der größten NPD-Feindbilder adressiert: Juden und Migranten. "Das muss man ernst nehmen", so Funke. "Es gibt ein gewalttätiges Umfeld der NPD, das diese Hetztexte noch bestärkt."

Bei der NPD sucht gerade der Berliner Landesverband musikalische Provokationen. NPD-Landeschef Jörg Hähnel trug auf einer Parteiveranstaltung im Thüringer Ort Fröbitz im Dezember 2007 das Hitlerjugendlied "Ein junges Volk steht auf" vor. Wenige Tage zuvor wurde das Lied auf einer von der NPD unterstützten Demonstration in Neukölln gesungen. Der Verfassungsschutz bezeichnet das Absingen des HJ-Liedes als strafbares Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wurden jedoch eingestellt. Zuletzt war es Udo Voigt, NPD-Bundeschef und BVV-Mitglied in Treptow-Köpenick, der Anfang Juli bei einem rechtsextremen Musikfestival in Gera zusammen mit dem vorbestraften Rechtsrock-Musiker Michael "Lunikoff" Regner auf der Bühne stand.

Für Hajo Funke ist Musik "die Einstiegs- und Mobilisierungsdroge der rechtsextremen Szene". Das Lied ist nach seiner Ansicht ein weiterer "Mosaikstein für ein NPD-Verbot".

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9 Kommentare

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  • J
    Jore

    @Stefan Weber

     

    Ich stimme zu, dass die gewisse Gleichstellung von Rommel und Himmler, die im Artikel getroffen wurde, unpassend ist. Dennoch sollte man Rommel etwas kritischer sehen, seine Rolle im Zusammenhang mit dem Stauffenberg Attentat ist umstritten und sein Selbstmord war wohl kein Märtyrertod zum Schutz anderer Verschwörer... Es ist noch nicht einmal klar, wieviel er Selbst über die Pläne wusste und ob er wirklich einen Mord an Hitler unterstützt hätte...

  • TI
    Tokugawa Ieyasu

    @Uwe Rietmöller:

    Sagen Sie mal, habt ihr das als Copy & Paste - Vorlage gespeichert?

    Immer wieder derselbe Text, ob in Foren, Kommentaren oder Blogs.

    Aber freilich, selber denken ist nicht jedermanns Sache. Und was tut man nicht alles, wenn man eine Mission zu erfüllen hat...

  • WW
    Wolfgang Wenger

    "Lesestoff für die Heimreise von Özdemir" kann man schon so interpretieren als solle hier die Aberkennung der Staatsbürgerschaft aufgrund von ethnischen Abstammungskriterien gefordert werden. Juristisch zwingend ist diese Interpretation vermutlich nicht, besonders deshalb nicht weil dann unter dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes solche Interpretationen dann auch für von westlichen Regierungen für "legitim" erklärte Hasspropagandastellen gelten würden.

     

    Mindestens genauso besorgniserregend ist aber, dass die NPD durch Texte wie "Wir lassen uns nicht kaufen" punkten kann. Und die Ursache hier ist aber nicht in der Fremdenfeindlichkeit der NPD zu suchen, sondern in den oligarchischen Verhältnissen welche in der Bundesrepublik Deutschland herrschen.

     

    Nur wer versteht wieso sich Rechtsradikalismus in Deutschland propagieren kann und welche Vorlagen hier von den etablierten Parteien geliefert werden (z.B. Freundschaftsverhältnisse zu USA oder Israel) kann Rechtsradikalismus legal effektiv bekämpfen.

  • SW
    Stefan Weber

    Liebe taz-Redaktion,

     

    so sehr ich es schätze, dass Aufklärung betrieben wird, so sehr muss man, wenn man bei den "anständigen" Leuten sein will, auf Wahrheit achten. Erwin Rommel war Feldmarschall der Wehrmacht, nicht der NSDAP oder irgendeiner Nazi-Gliederung. Er war auch nicht in die Verbrechen verstrickt (was auch daran lag, dass es in der afrikanischen Wüste weniger Möglichkeiten gab). Nebenbei wurde der gute Mann zum Selbstmord gewzungen, weil er die Leute vom 20. Juli nicht verraten hatte. Zudem gehen manche Historiker vom Rommel-Plan aus: Zurückweichen an der Westfront unter Einstellung des Kampfes, alles an die Ostfront werfen, während die Westalliierten Deutschland besetzen. Damit wären die Nazis am Ende gewesen. Leider wurde Rommel von einem alliierten Tiefflieger ins Krankenhaus geschossen. Natürlich kann man ihn kritisieren. Aber er war wohl eher ein naiver Typus "Nur-Soldat" (mit aller Problematik); aber mit Sicherheit kein Nazi, dafür gibt es genug Belege.

     

    => Bitte sorgfältiger Recherchieren, der Verzicht auf reine Diffamierung sollte die Demokraten von den anderen unterscheiden.

  • FS
    Frank S.

    Was heisst den falschen Ton?Gerade mit solchen Parolen machen sie sich bei vielen ewig gestrigen und unbelehrbaren Leuten beliebt.Lebe im Erzgebirge,einer eher konservativen Region und weiss nur zu gut,bei wie vielen Menschen dieses Gedankengut immer noch vorhanden ist und es von einer zur nächsten Generation weitergetragen wird.

  • U
    UweRietmöller

    Schön, wie viele sich zu Wort melden. Es gibt sie also noch, die Empörungsindustrie.

    .

    Ist ja gar nicht so selbstverständlich. Denn zum Mord an Nesima R. hat man von diesen Berufsbetroffenen bis jetzt leider so gar nichts gehört.

    .

    Und als beim letzten Maipogrom die sozialistischen Schlägerbanden 470 Polizisten verletzt haben, da war sie auch ziemlich still, die Gemeinschaft der Menschenrechtler. Das einzige was dem Dienstherrn der Verletzten eingefallen ist was: die NPD verbieten.

    Absurdistan!

    .

    Nein, nicht dass mir die NPD gefiele. Und rassistische Hetze geht mir immer auf den Zünder. Aber der Protest wäre glaubwürdiger, wenn die Protagonisten nicht nur bei Gedankenverbrechen ihre Wurt artikulierten, sondern auch bei Ordnungswidrigkeiten wie etwas Brandstiftung, schwere Körperverletzung oder Mord.

  • RH
    René Hoffmann

    Mit allem gebotenen Respekt und Verständnis für Abneigung gegen Rechtsextremisten: Erwin Rommel ein NS-Verbrecher? Habt Ihr sie noch alle beieinander ??

     

    Mit freundl. Gruß,

     

    René Hoffmann, Essen.

  • S
    Seb

    Wenn sich die Nazis da nicht mal selbst ein Ei gelegt haben. Sie haben sich damit, meiner Ansicht nach, nicht nur strafbar gemacht. Sondern darüber hinaus droht die Beschlagnahmung der NPD-Server, wo die Datei anscheinend liegt.

  • V
    vic

    Es ist schon geheimnisvoll, was die Regierung daran hindern mag, gegen dieses "demokratisch" legitimierte Parteigeschwür vorzugehen.

     

    Eines Tages wird es zu spät sein, und dann will es wieder niemand gewusst haben.