Rechtsextremismus in der AfD: Gefährliche Ex-Freunde

Hamburgs ehemaliger AfD-Chef Jörn Kruse glaubt nicht, dass die Auflösung des „Flügels“ das Abdriften der Partei nach rechts außen verhindert.

Jörn Kruse geht in der Hamburger Bürgerschaft zu seinem Platz.

Kann sich keine Rückkehr zur AfD vorstellen: Jörn Kruse, ehemaliger AfD-Fraktionschef in Hamburg Foto: dpa

HAMBURG taz | Hamburgs früherer AfD-Chef und Mitbegründer der Partei hält nichts davon, den innerparteilichen „Flügel“ aufzulösen. „Der Beschluss ist sowohl eine Täuschung der Öffentlichkeit als auch eine Selbsttäuschung“, sagt Jörn Kruse (parteilos). Bis Ende April soll das parteiinterne rechtsextreme Netzwerk um Björn Höcke und Andreas Kalbitz weg sein. Das hat jedenfalls der Bundesvorstand der AfD beschlossen – eine Reaktion darauf, dass der „Flügel“ vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wurde und beobachtet wird.

Bereits vor knapp zwei Jahren legte Kruse, der ehemalige Wirtschaftsprofessor an der Helmut-Schmidt-Universität, seine Parteiämter nieder, weil, so begründete er das damals, die Partei immer weiter nach rechts außen abrutschte. Ob der Beschluss, den „Flügel“ aufzulösen, etwas an seiner Entscheidung, die Partei verlassen zu haben, ändere? Das ändere „absolut gar nichts“, sagt Kruse. Denn der „Flügel“ bestünde „erstens aus einer diffusen Gruppe von ganz rechten AfD-Mitgliedern, die die rechtsradikalen Anführer Björn Höcke und Andreas Kalbitz anhimmeln und zweitens aus einem oder mehreren zugehörigen E-Mail-Verteilern“.

Nach einer formellen Auflösung werde das Netz um Höcke und Kalbitz weiter bestehen, so Kruse. Allein der Name werde nicht mehr verwendet. Aber die Höcke-Fans seien weiterhin Mitglieder und setzten die Anweisungen von Höcke und Kalbitz weiter um, moderate Parteimitglieder auszugrenzen und die AfD insgesamt zu einer rechtsradikalen Partei zu machen, sagt Kruse.

Kruse ist nicht das einzige ehemalige AfD-Mitglied, das wegen Höcke und seiner Mitstreiter die Partei verließ. Bereits 2017 traten in Mecklenburg-Vorpommern die Landtagsabgeordneten Matthias Manthei, Bernhard Wildt und die Abgeordnete Christel Weißig aus der AfD-Fraktion aus. Wildt sei damals deutlich geworden, dass es die AfD eine mangelnde Dis­tanz zum Rechtsextremismus und zur Gewalt habe, so seine Begründung.

Auch andere warnen

Schon früh wurde im Umfeld der AfD davor gewarnt, dass der Höcke-Kurs dazu führe, dass die Partei vom Bundesverfassungsschutz beobachtet werde. Diese Warnungen erfolgten aus der Sorge heraus, dass der große Traum des Milieus rechts von der Union aus CDU und CSU, mit der AfD endlich eine Partei etablieren zu können, wieder scheitern könnte.

Immer wieder mahnte der neurechte Theoretiker Karlheinz Weißmann, bis vor Kurzen Gymnasiallehrer in Northeim, dass „Leute“, die ihre „Weltanschauung gern zum Parteiprogramm“ machen wollten, sowie „diejenigen, die stets auf der Suche nach einer Bühne zwecks Selbstdarstellung sind und deren analytisches Vermögen sich umgekehrt proportional zu ihrem Selbstbewusstsein“ verhält, die mögliche Gesamtbeobachtung vorantrieben.

Einer von ihnen sei Götz Kubitschek, der „Einflüsterer“, so Weißmann in der Jungen Freiheit. Und er prognostizierte bereits am 7. September 2018 in der neurechten Wochenzeitung, dass die Mehrzahl der AfD-Mitglieder die Beobachtung fürchten und sich zurückziehen würden: Die „Partei verliert dann ihre Unterstützer aus dem öffentlichen Dienst, weiter die größeren und kleineren Unternehmer, die den Weggang von Kunden zu fürchten haben“. Sie würden das Feld räumen für „diejenigen, die schon immer etwas gegen Abgrenzeritis hatten, die Hardliner aus Überzeugung wie die Randexistenzen, die nichts zu verlieren haben“.

Diese Austrittswelle laufe bereist, sagt nun Kruse. Er glaube, dass „nach einiger Zeit nur noch die Höckes und diejenigen übrig bleiben, die von der Politik leben“ wollten. Der jetzige Beschluss des Bundesvorstandes sei jedoch „vor allem auch eine Selbsttäuschung, weil er sich damit einredet, er hätte etwas unternommen“. Der richtige Schritt wäre, so Kruse, ein „Parteiausschluss aller ‚Flügel‘-Mitglieder“ gewesen. Der würde aber scheitern, „weil allzu viele Schiedsgerichte selbst mit Rechten und Rechtsradikalen besetzt sind“. Kruses Fazit: eine Spaltung der AfD durch die „Moderateren“, die in eine Neupartei­gründung führen müsste.

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