Rechtsextremismus in Berlin: „Tempo zulegen“
Der Untersuchungsausschuss zur Neuköllner Anschlagsserie nimmt seine Arbeit wieder auf. Der neue Vorsitzende Vasili Franco (Grüne) zu den Vorhaben.
taz: Herr Franco, Sie haben den Vorsitz im Untersuchungsausschuss übernommen, der sich mit einem möglichen Behördenversagen bei der Aufklärung der rechtsextremistischen Anschlagsserie in Neukölln beschäftigt. Am 2. Juni ist die erste Sitzung. Haben Sie einen Vorsatz?
Vasili Franco: Mein Ziel als Vorsitzender ist, dem Untersuchungsauftrag so gut wie möglich gerecht zu werden.
Der Ausschuss wurde von Rot-Grün-Rot eingesetzt. Jetzt hat Berlin eine schwarz-rote Regierung. Könnte das die Arbeit in dem Gremium blockieren?
Ich gehe nicht davon aus. Wir haben einen klaren Auftrag durch den Einsetzungsbeschluss, dem müssen wir nachkommen.
Sie meinen den Einsetzungsbeschluss nach der Wiederholungswahl.
Alle demokratischen Fraktionen haben ihn mitgetragen, dieses Mal auch die CDU. Das zeigt, dass es ein großes Aufklärungsinteresse gibt. Zwar ist der Untersuchungsausschuss in erster Linie ein Instrument der Opposition mit Minderheitenrechten, ich erhoffe mir aber ein aktives Mitwirken aller Fraktionen.
30, ist Verwaltungswissenschaftler. Seit 2021 sitzt er für die Grünen im Abgeordnetenhaus und ist deren innenpolitischer Sprecher. Den Vorsitz im Neukölln-Untersuchungsausschuss hat er von Florian Dörstelmann (SPD) übernommen.
Bis zur Wiederholungswahl hatte der Untersuchungsausschuss nur wenige Monate gearbeitet. Zum Zeitpunkt des Breaks waren alle von der Anschlagsserie Betroffenen gehört worden, sowie die Initiativen. Jetzt sind die Behördenvertreter dran. Auf welche Zeugen sind Sie besonders gespannt?
Es war richtig, zuerst mit den Betroffenen als Zeugen anzufangen. Schließlich war der Untersuchungsausschuss ein Ergebnis ihrer jahrelangen Forderungen. Zudem hatten wir bisher das Problem, dass nur ein kleiner Teil der Akten aus den Behörden vorlag.
Was heißt das genau?
Wir hatten circa 5.000 Seiten von der Innenverwaltung und rund 20.000 Seiten von der Justizverwaltung sowie Gerichten. Das ist ganz klar nur ein Bruchteil der Akten. Eine große Menge fehlt noch, insbesondere zu den Straftaten, die Fälle werden ja zum Teil noch in Berufungsverfahren verhandelt. Da wir es hier zweifellos mit einer Serie zu tun haben, brauchen wir jedoch den vollständigen Überblick, um eine Bewertung vornehmen zu können.
Was sind jetzt die entscheidenden Knackpunkte?
Das Wichtigste ist, dass wir während der Sommerpause deutlich mehr Zugriff auf Akten bekommen, um gut vorbereitet in die Befragung der Sicherheitsbehörden starten zu können.
Heißt das, vor der Sommerpause passiert nichts mehr?
Wir haben vorher noch zwei Sitzungen. Der 2. Juni ist nur eine Beratungssitzung. Da werden wir alles, was bisher im Untersuchungsausschuss geschehen ist, wieder dem Verfahren zuführen, um nahtlos an den Stand vor der Wiederholungswahl anknüpfen zu können. Am 23. Juni werden wir mit den ZeugInnenbefragungen fortfahren. Ich hoffe, dass uns dann in der Sommerpause der Großteil der fehlenden Akten zugeleitet wird, damit wir uns im September vertieft mit den Komplexen beschäftigen und die VertreterInnen der Sicherheitsbehörden vor den Ausschuss laden können.
Das klingt so, als würden Sie Ihre Ferien mit Aktenstudium verbringen.
Ich werde vor allem intensiv mit den Behörden Gespräche führen, um zu klären, dass die Akten schnell geliefert werden. Es liegt viel Arbeit und wenig Schlaf vor uns. In der zweiten Jahreshälfte wird es acht Sitzungen des Untersuchungsausschusses geben. Wir müssen an Tempo zulegen, auch den Betroffenen sind wir das schuldig.
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