Rechtsextremer Klub wieder zugelassen: Rote und braune Linien
In Sachsen-Anhalt kapern Nazis einen Fußballklub. Der Verband lässt sie zu lange gewähren, spricht dann ein Verbot aus und nimmt es wieder zurück.
![Holger Stahlknecht im Vordergrund, im Hintergrund der Rasen und Zuschauer auf den Rängen Holger Stahlknecht im Vordergrund, im Hintergrund der Rasen und Zuschauer auf den Rängen](https://taz.de/picture/6669826/14/imago1012224389h-1.jpeg)
G ut so! Als Holger Stahlknecht, der Präsident des Fußballverbands Sachsen-Anhalt, den Ausschluss der Amateurkicker von der DSC Eintracht Gladau wegen rechtsextremistischer Unterwanderung zur Chefsache machte, dürfte bei vielen dessen Initiative auf Grundsympathie gestoßen sein. Es braucht rote Linien! Wenn Neonazis öffentliche Räume besetzen und ein Klima der Angst etablieren, muss gehandelt werden.
Blöd ist es nur, wenn diese rote Linie vom eigenen Verband nur zwei Wochen später wieder durchlöchert wird. Das Verbandsgericht des Fußballverbands Sachsen-Anhalt (FSA) hob vergangenen Mittwoch nach einem Eilantrag des Vereins den Ausschluss vorläufig auf. Man schätzte die vom FSA-Vorstand vorgelegten Beweise der rechtsextremistischen Unterwanderung als nicht ausreichend für einen sofortigen Ausschluss ein. Auch wenn die Eintracht Gladau harten Auflagen für die nächsten Spiele zustimmen musste, dürfte man dort die Kehrtwende mehr gefeiert haben als irgendeinen Sieg in der Kreisoberliga.
Das Engagement gegen Rechtsextremisten auf dem Fußballplatz droht frühzeitig zur Posse zu werden. Der ehemalige CDU-Innenminister Sachsen-Anhalts hat von Beginn an markig den Gang durch alle zivilrechtlichen Gerichtsinstanzen angekündigt. Sollte das FSA-Verbandsgericht in der Winterpause auch im Hauptverfahren den Gladauer Ausschluss für unrechtmäßig erklären, würde die Verbandsspitze schon geschwächt den Gang vor die Zivilgerichte antreten. Ein solches Szenario ist derzeit wahrscheinlich, bräuchte es für einen Richtungswechsel des Sportverbandgerichts doch neue Beweise.
Diese Geschichte steht exemplarisch für die Probleme in Deutschland im Kampf gegen Rechtsextremismus. Es ist schwierig, im Hauruckverfahren rote Linien zu ziehen, wenn sich die braunen Linien zuvor über viele Jahre derart in die Gesellschaft eingewoben haben, dass viele nichts Besonderes mehr an ihnen wahrnehmen können.
Viele Jahre ungestört
Diesen Prozess der schleichenden Normalisierung konnte man, wenn man wollte, über viele Jahre auch bei Eintracht Gladau beobachten. Im Jahr 2016 wurde Dennis Wesemann gegen Widerstände im Verein aufgenommen. Ein Mann, der vom Innenministerium Sachsen-Anhalts einst als Rechtsextremist geführt wurde, der Kleidung mit gewaltverherrlichenden Motiven vertreibt und vor seinem Wechsel zu Gladau einen Verein namens FC Ostelbien Dornburg mitbegründet hatte, der trotz rechtsextremistischer Strukturen etliche Spielzeiten ungestört Angst und Schrecken verbreiten konnte, bevor 2015 dann doch ein Verbot durchgesetzt wurde.
Mit Sorge, hieß es dann ein Jahr später beim FSA, beobachte man die Entwicklung bei Eintracht Gladau. Danach hörte man jedoch bis vor wenigen Wochen nichts mehr aus Gladau. Die rechtsextremistische Unterwanderung, die der FSA nun auf der Basis von Beobachtungsberichten des Landessportbundes diagnostiziert hat, vollzog sich im Stillen. Einige Spieler von Ostelbien Dornburg wechselten mit der Zeit nach Gladau, die Mehrheitsverhältnisse kippten, Wesemann und Co übernahmen zuletzt auch die Vereinsführung.
Weder die Medien vor Ort noch der Verband legten den Finger in die Wunde. Der FSA hätte angesichts seiner Selbsterkenntnisse den Verein schon viel früher intensiv beobachten und öffentlich immer wieder Position beziehen müssen, um auf dieses Problem aufmerksam zu machen. Das wäre auch ein Signal an die Rechtsextremisten in Gladau gewesen, dass sie keine Narrenfreiheit genießen.
Rote Linien gegen Neonazis zu ziehen, ist mühselige Alltagsarbeit. Wenn man einmal öffentlichkeitswirksam auf den Tisch haut, mag man viel Beifall erhalten. Langfristig besteht die große Gefahr, so den Kampf gegen Rechtsextremismus der Lächerlichkeit preiszugeben.
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