Rechtsextreme setzen auf Thüringen: NPD will sich mit Wahlgeld sanieren
Trotz ihrer desolaten Finanzlage konzentriert die NPD einen Großteil ihrer Mittel auf den Landtagswahlkampf in Thüringen - und hofft dadurch auf eine satte Rückerstattung vom Staat.
GÖTTINGEN taz | Mit einem rot-weißen Wohnmobil mit der Aufschrift "Arbeit zuerst für Deutsche" reist der Spitzenkandidat der Thüringer NPD, Frank Schwerdt, auf Stimmenfang durch den Freistaat. Die Rechtsextremen wollen bei der Landtagswahl am 30. August ins Parlament einzuziehen. Die jüngsten Umfragen prognostizieren der Partei zwar lediglich drei Prozent. Doch die Neonazis wissen, dass Umfragen zu rechtsextremen Parteien nur bedingt Aussagekraft haben. Viele Befragte geben ihre wahre Meinung nicht preis.
Deshalb hat die NPD trotz ihres Mitgliederrückgangs um 10% im vergangenen Jahr in allen 44 Wahlkreisen Direktkandidaten aufgestellt. Darunter finden sich auch Neonazis aus der rechtsextremen Kameradschaftsszene und der DVU-Kommunalpolitiker Uwe Baz-Dölle. Seine Kandidatur auf der Landesliste gleich hinter dem Spitzenkandidaten Frank Schwerdt und ein weiterer Platz für die DVU gelten als Kompromiss. Ursprünglich sollte nämlich die DVU für die Landtagswahl antreten.
Doch weil die Volksunion mit landesweit etwa 50 Mitgliedern ein Schattendasein führt, sprachen sich die Thüringer Kameradschaften für einen Antritt der NPD aus. Nach dem Ende des offiziellen Bündnisses zwischen NPD und DVU, dem so genannten Deutschlandpakt, setzen die beiden Parteien in Thüringen dennoch auf Kooperation.
Zugleich sucht die DVU aber auch nach anderen Verbündeten. Einer davon ist der Ex-NPDler Kai Uwe Trinkaus aus Erfurt. Nach dem Streit um eine Zusammenarbeit mit Autonomen Nationalisten und einem Putschversuch gegen den amtierenden Vorstand hatte die NPD Trinkaus im vergangenen Jahr aus der Partei ausgeschlossen. Der Streit und die folgende Abspaltung des früheren NPD-Kreisverbands Erfurt als Pro Erfurt verursachte bei der NPD in Thüringen den ersten Mitgliederrückgang seit fünf Jahren.
Bei den Kommunalwahlen im Juni 2009 erreichte die NPD im Durschschnitt 3,6%. Um bei den Landtagswahlen besser abzuschneiden, investiert die Bundes-NPD nach eigenen Angaben etwa 160.000 Euro in ihren Wahlkampf. Trotz ihrer desolaten Finanzlage konzentriert sie damit einen Großteil ihrer Mittel auf Thüringen. Selbst wenn sie nicht in den Landtag käme, wäre ihr bei den derzeitigen Prognosen eine große Wahlkampferstattung sicher. Staatliche Einnahmen sind die Hauptfinanzquelle der NPD. Die Partei lebt laut einer Studie zu 64% von öffentlichen Geldern.
Um die Neonazis von den Staatskassen fern zu halten, fordert der Verein Mobile Beratung in Thüringen (Mobit) ein Landesprogramm gegen Rechtsextremismus.
Ein solches von SPD und Linkspartei vorgelegtes Programm hatte die Regierung Althaus erst im Mai wieder abgelehnt. Die Antragsteller stützen sich auf Studien von Forschern der Universität Jena, laut deren Untersuchungen knapp die Hälfte der Befragten ausländerfeindliche Aussagen bejaht. 16% besitzen ein rechtsextremes Weltbild. Die Landesregierung weist statt dessen auf ihre Initiative für Demokratie und Toleranz gegen Extremismus und Gewalt hin. Kritiker bemängeln daran das Fehlen von Konzepten, wie rechtsextremen Einstellungen in der Bevölkerung zu begegnen sind. Auch die Verwendung allgemeiner Begriffe wie Extremismus und Gewalt stößt besonders bei der Opposition auf Kritik: Das erschwere eine gezielte Auseinandersetzung mit den Neonazis.
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