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Rechtschreibreform in FrankreichAdieu Circonflexe?

Jetzt zankt man auch in Frankreich über eine Reform der Orthografie. Und Konservative wittern wieder den kulturellen Untergang.

Wunderschön: ein Circonflexe. Foto: taz

Oignon oder ognon? Maître oder maitre? Für die kultivierten Franzosen, für die ihre Muttersprache, die sie liebevoll „la langue de Molière“ nennen, war das keine Frage. In anderen Ländern aber erinnern sich viele noch an den Französisch-Unterricht in der Schule und ihre Schwierigkeiten mit gewissen Subtilitäten dieser an Zweifelsfällen besonders reichen Sprache.

Vor allem die verschiedenen Akzente machen nicht nur Schülern mit anderer Muttersprache Mühe, auch die Französischsprechenden selber machen beim Schreiben mit diesen Stolpersteinen einer komplizierten, nicht immer ganz logisch erscheinenden Orthografie häufig Fehler. Sie alle sollen es ein bisschen leichter haben. Eine Reform mit zahlreichen Vereinfachungen soll in Kraft treten.

Das stand Ende November 2015 in einer amtlichen Mitteilung des Erziehungsministeriums, wurde aber zunächst übersehen. Jetzt aber haben die Herausgeber der Schulbücher beschlossen, ab dem nächsten Schuljahr im Herbst die neue Schreibweise zur Norm zu erklären. Ganz so neu wäre diese übrigens gar nicht. Denn diese Regeln, die insgesamt 2.400 Wörter und somit etwa vier Prozent des im Dictionnaire erfassten Wortschatzes betreffen, datieren in Wirklichkeit aus dem Jahr 1990.

Beschlossen wurde sie – damals als Empfehlung – von der Académie française, die seit dem 17. Jahrhundert über dieses sprachliche Kulturerbe wachte. Wenn man weiß, wie peinlich genau es die verdienstvollen Mitglieder dieser ehrwürdigen Institution mit ihrer Aufgabe als Gralshüter der französischen Sprache nehmen, fällt es schwer zu glauben, dass sie diese mit ihren Reformvorschlägen verarmen oder gar verhunzen wollten.

Vereinfachung oder Verarmung?

Genau das aber ist der entsetzte Vorwurf, der ihnen jetzt aus literarischen, pädagogischen oder konservativen Kreisen gemacht wird. Ist nicht jede Vereinfachung, so gut gemeint auch die Absichten dahinter sein mögen, eine Verarmung? So etwa wird seit Tagen in den Medien argumentiert, denn die Orthografiereform beschäftigt plötzlich die ganze Nation. Natürlich meinen dabei viele, es gebe nun wirklich Wichtigeres, als über die Existenzberechtigung der Akzente oder des Subjonctifs zu diskutieren.

Für die Schüler, die beim Diktat unter geradezu sadistisch ausgewählten Texten leiden, bringt die Reform sicher eine Erleichterung. Manche Vereinfachungen sind denn auch kaum umstritten. Dass Monets Lieblingsblume, die Seerose, statt „nénuphar“ neufranzösisch „nénufar“ oder die Zwiebel „ognon“ ohne i geschrieben wird, wie man das Wort ja auch ausspricht, stört die wenigsten. Ebenso der Wegfall von Bindestrichen zum Beispiel in „weekend“ oder „portefeuille“.

Für oder wider Circonflexe, lautet (ganz im Sinne der Reform vereinfacht) die wichtigste Streitfrage. Nach der neuen Schreibweise muss im Fall der bisher mit dem Akzent versehenen Wörter auf den Vokalen i und u kein solches kleines Dächlein mehr stehen – außer in gewissen Ausnahmefällen wie am Wortende. Dass der Circonflexe nicht auch auf dem a, e und o wegfällt, macht perplex. Man kann sich fragen, ob mit der vermeintlichen Vereinfachung und ihren Ausnahmen nicht alles noch komplizierter wird, sodass am Ende niemand mehr so recht weiß, was nun korrekt, als moderne oder antike Variante akzeptiert oder schlicht falsch ist.

Von den deutschsprachigen Nachbarn hätten die französischen Reformer der Sprache lernen können, wie leicht es ist, eine neue Schreibweise zu beschließen, aber wie schwer es danach ist, sie in der Praxis durchzusetzen. Eine Reform der Orthografie kommt wahrscheinlich immer zur Unzeit. Wer sie verdrängt, überlässt sie der Willkür der Verbraucher. In diesem Fall dem Schreiben von SMS. Auf Französisch tippt man „je t‘aime„ ganz simpel als „je t m“. Doch das steht so vorerst nicht im Larousse.

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4 Kommentare

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  • « Je suis sûr ta sœur elle va bien. »

    « Je suis sur ta sœur elle va bien. »

    • @Joe Völker:

      Im ersten Satz fehlt das "que", das man im Französischen bei Nebensätzen üblicherweise nicht so leicht weglassen kann wie im Deutschen.

      Und beim zweiten müsste man ein Komma setzen.

      Der Aussageunterschied würde also auch ohne den Akzent erhalten bleiben. Und in der gesprochenen Sprache unterscheidet man die beiden Sätze ja auch nicht am Akzent, sondern vor allem durch Satzmelodie und -ryhthmus.

  • "Wer sie verdrängt, überlässt sie der Willkür der Verbraucher."

     

    Ja, warum auch nicht? Sprache wird von denjenigen gemacht und geformt, die sie benutzen. Unsere heutigen Orthographiesysteme sind alle am Anfang mal so entstanden, bevor man damit begann, irgendwelche Kommissionen oder Organisationen zu gründen, die die Schreibweise gezielt regeln sollten. Und siehe da: Seitdem gibt es immer Ärger, sobald auch nur ein paar Details geändert werden sollen.

    Vielleicht ist es also gar nicht so schlimm, wenn man bei der Rechtschreibung wirklich ein bisschen mehr darauf achtet, wie die Menschen tatsächlich schreiben, anstatt ihnen ständig vorgeben zu wollen, wie sie schreiben sollten.

  • Zirkumflexe im Wesentlichen als Marker dafür, dass da im Lateinischen mal ein "s" stand, waren natürlich noch nie großartig sinnvoll. "Ognon" hingegen sieht natürlich einfach mal nicht aus wie ein Wort. Aber gewöhnt man sich auch dran, ne? Letztlich ist das bei Sprache immer so, dass die Leute, die sich das alles mühsam in den Kopf prügeln mussten, nun nicht einsehen, warum andere es da leichter haben sollen.

     

    Nur konsistenter und der Sprache angepasst sollten solche Änderungen schon sein, was man bei der deutschen Rechtschreibreform gerade bei der Getrenntschreibung nicht gerade behaupten konnte, genauso wenig wie es sinnvoll ist, nur ein paar überflüssige Zirkumflexe im Französischen abzuschaffen.