Rechtsanwälte stöhnen über 1. Mai: Wasserschutzpolizisten werden Knastwächter

Anwälte hatten rund um den 1. Mai Probleme, Festgenommenen Rechtsbeistand zu leisten. Ein Grund: Bedienstete befanden sich im Streik.

Der Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst hatte offensichtlich konkrete Auswirkungen auf den Polizeieinsatz rund um den 1. Mai. Polizisten der Gefangenensammelstelle (Gesa) in der Kruppstraße verweigerten in der Nacht zum 2. Mai den Angehörigen sowie den Anwälten von mindestens zehn Inhaftierten den Zutritt. Das behauptet der Republikanische Anwaltsverein (RAV) gegenüber der taz.

"Diese Gefangenensammelstellen sehen Gespräche mit Festgenommenen nicht vor", sei den Anwälten vor der Gesa mitgeteilt worden. Das berichtet RAV-Anwalt Dietmar Sasse, der mehreren Inhaftierten Rechtsbeistand leisten wollte. Die Mutter eines betroffenen Insassen, der zunächst ebenfalls der Einlass verwehrt wurde, vermutet: Die notverpflichteten Beamten waren überfordert.

Nach den im Vergleich zu den vergangenen Jahren geringen Ausschreitungen hatte die Polizei rund um den diesjährigen 1. Mai mindestens 138 Personen zeitweise in Gewahrsam genommen. Sie werden in der Regel von nicht verbeamteten Bediensteten betreut. Seit vergangener Woche befindet sich dieses Personal jedoch im Streik. Für ihre Arbeit wurden Polizeibeamte verpflichtet. "Da waren auf einmal ganz andere Bedienstete", berichtet Rechtsanwalt Philipp Stucke. Er identifizierte Wasserschutzpolizisten. Der Zutritt zur Gesa sei sonst nie ein Problem gewesen, so Stucke. Sein Kollege Sasse spricht von einem "Skandal, der justizpolitisch weiterverfolgt werden müsse".

Die Polizei bestreitet, dass Anwälten der Kontakt mit ihren Mandanten verweigert wurde. Auch eine Weisungsregelung, die einen Kontakt zwischen Anwalt und Mandant behindert, habe es nicht gegeben. Michael Grunwald, Sprecher der Staatsanwaltschaft, bestätigte hingegen die Vorwürfe. Er kann in dem Vorgehen aber nichts Rechtswidriges erkennen: Mandantengespräche seien in der Gesa nicht vorgesehen, weil sie als Sicherheitsbereich gelte. Anspruch auf Rechtsbeistand hätten die Betroffenen erst, sobald sie zur Polizeizentrale am Tempelhofer Damm gebracht werden. Verdächtige könnten ohne Rechtsbeistand bis zum Ende des nächsten Tages in der Gesa festgehalten werden. Daran hätten sich die Beamten gehalten.

Rechtsanwalt Sasse allerdings beruft sich auf die Strafprozessordnung. Darin heißt es: "Der Beschuldigte kann sich in jeder Lage des Verfahrens eines Verteidigers bedienen." Auch das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz des Landes Berlin (Asog) sieht vor, dass bei Ingewahrsamnahme "die Polizei unverzüglich eine richterliche Entscheidung über Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung herbeizuführen" hat.

Warum es nicht genug Beamte, Richter oder Staatsanwälte gab, die den Rechtsschutz der Gefangenen gewährleisten konnten, ist auch Benedikt Lux, innenpolitischem Experten der Grünen im Abgeordnetenhaus, unerklärlich. An dem Tag habe es genug Polizisten auf der Straße gegeben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.