: Rechtes Werben
Im Bremer Umland treten vermehrt NPD und „freie Kameradschaften“ in Erscheinung. Gute Beziehungen pflegen sie dabei auch zu braven Bürgern
aus AchimAndreas Speit
Nur zufällig begegnen am vergangenen Freitag die zwei Jugendlichen den drei jungen Erwachsenen. Als ihnen „Scheiß Zecken!“ entgegenschallt, wollen sie noch schnell die Straßenseite wechseln. Die drei glatzköpfigen Täter in Bomberjacken schlagen jedoch sofort auf die beiden ein. Als eines der Opfer zu Boden geht, treten sie mit ihren Springerstiefeln weiter zu. Nur weil der 14-Jährige sich bewusstlos stellt, lassen die alkoholisierten Neonazis von ihm ab. Wenige Straßen weiter besprühen die unbekannten Täter einen geparkten Mercedes mit Nazisprüchen.
„Wir ermitteln wegen Körperverletzung“, erklärt der Kommissariatsleiter der Polizei Achim. Nicht der erste rechte Vorfall, den die Polizei in der niedersächsischen Stadt südöstlich von Bremen binnen zwei Wochen untersuchen muss. Bereits am Wochenende des 6./7. Dezember schändeten „unbekannte Täter“ den örtlichen jüdischen Friedhof. Mit oranger Farbe schmierten sie „Jude verecke“ (mit Schreibfehler) und Hakenkreuze auf die Grabsteine. An die Außenwände des nahe gelegenen Schulzentrums sprühten sie „Heil Deutschland“ und „Wir sind zurück“.
„Die Neonazis haben in der Region ihre Aktivitäten erhöht, um neue Mitglieder zu gewinnen“, bestätigt ein Sprecher des niedersächsischen Verfassungsschutzes (VS) gegenüber der taz. In den vergangenen Monaten organisierte die lokale Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) gemeinsam mit der regionalen „Kameradschaft Weser-Ems“ zwischen Verden, Rotenburg und Achim Infostände sowie eine Mahnwache. Ganz im Sinne der neuen NPD-Strategie versuchten die Aktivisten um Sven Wellhausen vor allem an Schulen, neue Kameraden zu gewinnen. So verteilte Wellhausen, der in Blender bei Verden lebt und schon strafrechtlich auffiel, mit weiteren Neonazis bereits Flugblätter am Schulzentrum in Thedinghausen nahe Achim. Weitere Aktionen, weiß der VS, sind in Planung.
Gute Beziehungen haben die Neonazis bereits zur „Unabhängigen Bürgergemeinschaft“ um Dieter Fricke und Heinrich Rathjen. Alle zwei Monate veranstalten die beiden Unternehmensberater Diskussionsabende in Achim. Regelmäßig laden sie bekannte Rechtsextreme, wie Paul Latussek, als Redner zu den Abenden ein, auf die auch in der NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“ hingewiesen wird. Augenzeugen zufolge begrüßte Rathjen Wellhausen herzlich, als dieser Mitte November die Veranstaltung „Zuwanderung nach Deutschland – Chancen, Mythen und Risiken“ besuchte. Ein großes Hotel in Achim verwehrte Fricke und Rathjen wegen dieser rechtsextremen Beziehungen nun die Räumlichkeiten.
Nach der Schändung des Friedhofs setzten die Unternehmensberater 1.000 Euro Belohnung für Hinweise aus. Vielleicht sollten sie bei ihrer nächsten Veranstaltung, Mitte Januar, einfach mal ihre Gäste fragen.