Rechtes Politmanöver mit 9/11-Opfern: Stadtrat zum Schweigen gebracht
Im Dresdner Stadtrat findet erstmals ein rechter Antrag eine Mehrheit: Das "Nationale Bündnis" setzt mithilfe der CDU und der Ex-Linken eine Schweigeminute zum 11. September durch.
DRESDEN taz Mit einem geschickten Schachzug hat das "Nationale Bündnis" im Dresdner Stadtrat die jüngste Serie von Prestigeerfolgen der rechtsextremen NPD in sächsischen Kommunalparlamenten fortgesetzt.
Vor den Haushaltsberatungen am Donnerstagabend beantragte das Bündnis eine Schweigeminute für die Opfer des 11. September 2001. Mit 24 zu 18 Stimmen wurde der Antrag angenommen, worauf die Fraktionen der Linken und der Bündnisgrünen den Saal verließen.
Das Nationale Bündnis ist ein Zusammenschluss von zwei parteilosen und zwei NPD-Stadträten. Seit der Kommunalwahl 2004 hatten ihre Anträge keine Aussicht auf Erfolg - bis zum Donnerstag. Die verunsicherte neue Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) versuchte zunächst, den vorliegenden Antrag mit der Tagesordnung insgesamt abstimmen zu lassen. SPD-Fraktionschef Peter Lames verlangte aber eine getrennte Abstimmung. Überraschend stimmten dann große Teile des bürgerlichen Lagers und drei Stadträte der Linksfraktion.PDS für die Gedenkminute. Die Linksfraktion.PDS existiert aufgrund einer inhaltlichen Spaltung neben der Linken im Stadtrat und ist seit August faktischer Koalitionspartner der CDU.
Nun droht Ronald Weckesser womöglich der Ausschluss aus der Landtagsfraktion, weil er dem Antrag der Nationalen zustimmte. Er sitzt nicht nur im Dresdner Stadtrat für die Linksfraktion.PDS, sondern ist auch für die Linken Landtagsabgeordneter. Sein Fraktionschef André Hahn kündigte "Konsequenzen" an. Weckesser hingegen sagte, dass man sich in eine Situation manövriert habe, wo man eigentlich dem Antrag nur zustimmen konnte. Es blieb nur ein "Augen zu und durch", sagte er im MDR.
Auch in der CDU gab es Aufregung. CDU-Fraktionssprecher Helfried Reuther sagte auf Nachfrage, den zustimmenden Stadträten seiner Fraktion sei es nur darum gegangen, "die Opfer des Terrorangriffs am 11. September zu ehren". Der sächsische CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer, der jüngst jegliche Zustimmung zu Anträgen der Nationalen gegenüber der taz ausgeschlossen hatte, nannte das Verhalten der Dresdner CDU-Stadträte "einen Fehler".
Das Nationale Bündnis freute sich über die Aufregung und konstatierte triumphierend einen "neuen Wind" im Dresdner Rathaus. Dass es sich um ein rein taktisches Manöver handelte, zeigt der Ordnungsruf, den sich tags zuvor im Landtag der NPD-Abgeordnete Winfried Petzold wegen antiamerikanischer Ausfälle eingehandelt hatte.
MICHAEL BARTSCH
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