Rechte von LGBTQIA+ in Bulgarien: Ein Gesetz gegen „Propaganda“
Bulgarien reformiert das Bildungsgesetz und verbietet die „Förderung von Ideen nicht-traditioneller sexueller Orientierung“. NGOs sind besorgt.
Für die neue Fassung stimmten 135 von 240 Abgeordneten – darunter auch Vertreter*innen der konservativen proeuropäischen Partei Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens (GERB) des früheren Ministerpräsidenten Bojko Borissow.
Auch ein weiterer Text, der den Terminus „nichttraditionelle sexuelle Orientierung“ definiert, ging durch. Diese unterscheide sich „von den allgemein akzeptierten und etablierten Vorstellungen der bulgarischen Rechtstradition über emotionale, romantische, sexuelle oder sinnliche Anziehung zwischen Personen unterschiedlichen Geschlechts.“ Am Mittwoch kam es in der Hauptstadt Sofia zu Protesten. Die Teilnehmer*innen riefen „Schämt Euch!“ und „Hört auf, Menschen aus Bulgarien zu vertreiben!“.
Initiator der Gesetzesänderung war die rechtsextreme Partei Vasraschdane (Wiedergeburt), die bei den jüngsten Parlamentswahlen am 9. Juni 2024 mit 13,8 Prozent viertstärkste Kraft wurde und mit 38 Abgeordneten in der Volksversammlung sitzt. Die prorussische Vasraschdane erfreut sich wachsender Zustimmung. Zwischen 2020 und 2022 tat sich die Truppe als Coronaleugnerin hervor und machte gegen Imfpungen mobil. Sie lehnt jegliche Hilfen für die Ukraine ab. 2022 versuchte die Partei ein von Russland abgekupfertes „Gesetz über ausländische Agenten“ ins Parlament einzubringen, der Versuch scheiterte jedoch.
Hasstiraden im Parlament
In der Bildungsdebatte gerieten die Beiträge einzelner Volksvertreter*innen zu regelrechten Hasstiraden. Die Vasraschdane-Abgeordnete Zvezdelina Karawelowa forderte, dass gegen diese „Päderastie“ vorgegeangen werden sollte. Sie hoffte, dass ihr einjähriger Sohn niemals einen Ehemann mit nach Hause bringen werde.
Die Chefin der Sozialisten (BSP), Kornelia Ninowa, wusste von Anrufen besorgter Bulgar*innen aus dem Ausland zu berichten, um vor den Gefahren der Gender-Ideologie im Westen zu warnen. Es gebe da Leute, so Ninowa, die morgens ein, am Nachmittag ein zweites und am Abend ein drittes Ding seien. Diese Gender-Idologie werde von reichen und einflussreichen Leuten verbreitet, sie habe sich in die Schulen eingeschlichen und schickten sich an, diese zu übernehmen.
2023 hatte die BSP versucht, ein Referendum gegen „Gender-Ideologie“ zu initiieren. Zudem macht die Partei Stimmung gegen die Istanbul-Konvention – eine Übereinkunft des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Die Konvention fördere LGBTQIA+-Rechte, lautet die Erzählung. Die Konvention hat Bulgarien zwar unterzeichnet, aber nicht ratifiziert.
Das bulgarische Helsinki-Komittee, eine Menschenrechtsorganisation, hatte die Abgeordneten aufgefordert, gegen die Gesetzesänderung zu stimmen. Diese verstosse gegen „grundlegende Menschenrechte“ sowie Rechte, die in der bulgarischen Verfassung, in EU-Gesetzen und internationalen Konventionen verankert seien, heißt es in einer Stellungnahme.
Kern der Demokratie
Diese Gesetzesänderung nimmt „implizit eine Hexenjagd vorweg und sanktioniert alle Bildungsbemühungen im Zusammenhang mit LGBTQ-Personen in der Schule“, sagte Denitsa Ljubenowa, Anwältin der bulgarischen Nichtregierungsorganisation Dejstwie, die sich für die Rechte von LGBTQ-Menschen einsetzt.
Die Gruppe zieht einen direkten Vergleich zwischen dem Änderungsentwurf und der stetigen Einschränkung der Menschenrechte und der Rechte sexueller und geschlechtlicher Minderheiten in Russland. „In den 30 Jahren des demokratischen Übergangs hat die politische Elite Bulgariens nie verstanden, dass die Menschenrechte den Kern der Demokratie bilden“, heißt es in einer Erklärung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist