Rechte Politik in Berlin: AfD gibt sich gerne bürgerfern
Aufruhr am Stadtrand: Ein AfD-Stadtrat plant, mehrere Bürgerämter einfach zu schließen, um auf diese Weise Geld zu sparen.
Stadtrat Thomas Braun will zwei von drei Bürgerämtern im Bezirk Marzahn-Hellersdorf schließen. Statt ihrer will er am äußersten südlichen Rand des Bezirks einen „zentralen“ Standort neu bauen. Das geht aus einem fünfseitigen Konzeptpapier hervor, das er am Donnerstag in den Hauptausschuss der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) einbrachte und das der taz vorliegt.
Begründet wird das Vorhaben mit Einspareffekten durch Zentralisierung. Außerdem sei die Zahl der Mitarbeiter in den Ämtern gestiegen, sodass die bisherigen Arbeitsräume nicht mehr ausreichten und die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter unter der Enge litten. Seine Vorlage war mit den Bezirksamtskollegen der anderen Parteien nicht abgestimmt.
Protest von SPD und Linker
„Es ist verwunderlich, dass eine Partei, die für sich Bürgernähe proklamiert, als erste Initiative ihres Stadtrats nun zwei Standorte aufgeben will“, wettert Paul Kneffel, der Haushaltspolitiker der bezirklichen SPD. Dabei nehme die AfD in Kauf, dass Bürger weitere Wege als bisher bewältigen müssten. Zudem sei der Vorschlag nicht „ausreichend finanziell geprüft“.
Klaus-Jürgen Dahler (Linke) ergänzt, der AfD-Stadtrat hätte Anfragen von Verordneten im Hauptausschuss zur Höhe der Baukosten und der Nachnutzung der bestehenden Räumlichkeiten nicht beantworten können. „Es ist schon merkwürdig, dass sich die AfD, die sich als Retter der Nation aufstellt, in unserem Bezirk als Erstes Angebote zusammenstreichen will.“
Stadtrat Braun lässt der taz durch eine Mitarbeiterin ausrichten, er habe zu diesem Thema „gegenüber der Presse keinen Gesprächsbedarf“.
Mit Ausnahme der AfD haben Verordnete aller Parteien in dem Ostbezirk signalisiert, dass mit ihnen keine Bürgerämter geschlossen werden. Klaus-Jürgen Dahler: „Der Demografiebericht sagt, dass unser Bezirk immer älter wird. Man kann von Senioren und Menschen mit Behinderung nicht erwarten, dass sie 40 Minuten Weg zum Bürgeramt auf sich nehmen.“
Der aus Marzahn-Hellersdorf stammende grüne Parlamentsabgeordnete Stefan Ziller lehnt den AfD-Plan zwar auch ab, aber nicht so vehement: „Zuerst müssen die Onlineangebote funktionieren, für die wir auf Landesebene gerade die Weichen stellen.“ Erst danach könne man eine Diskussion führen, ob man weniger Bürgerämter brauche. „Aber diese Diskussion zum jetzigen Zeitpunkt führt zu Chaos“, so Ziller.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland