Rechte Chats bei hessischer Polizei: Schlimmer als befürchtet
Der Kommissionsbericht über rechte Chats in der hessischen Polizei ist erschreckend. Schwarz-grün in Wiesbaden muss jetzt endlich handeln.
G ut zwei Jahre nach den ersten Enthüllungen über rechte Chatgruppen in der hessischen Polizei werden die Abgründe sichtbar, in denen sich Polizeibeamte in Hessen bewegen konnten. Experten aus der Zivilgesellschaft haben die Chatprotokolle mit ihren widerlichen Fotomontagen und Parolen gesichtet, damit sich auch die Öffentlichkeit ein Bild davon machen kann. Rassistische, menschenverachtende, auch neonazistische Inhalte seien ausgetauscht worden, hatten Polizei und Staatsanwaltschaft mitgeteilt. Von Hakenkreuzen, Hitlerbildern und -grüßen war die Rede.
Der ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete und Verfassungsrichter Jerzy Montag hat als Kommissionsmitglied in die Chats Einblick genommen und dort einen Abgrund von Antisemitismus, Menschenfeindlichkeit und Zynismus entdeckt. Es ist schlimmer als befürchtet. Der Jubel über tote Flüchtlingskinder mit ekligen Fotomontagen, die Verherrlichung des Nationalsozialismus und des Massenmords an den Juden mit vermeintlichen ‚Witzbildchen‘, Frauenhass mit sexistischen Mordfantasien – die Verfassungsfeinde in hessischen Polizeiuniformen konnten sich über Jahre hinweg ungestört und offenbar ohne Unrechtsbewusstsein austauschen.
Es ist Zeit, entschieden zu handeln. Die verharmlosenden Erfolgsmeldungen des christdemokratischen Innenministers Peter Beuth müssen ein Ende haben. Bei der hessischen Polizei sind bislang nicht einmal illegale Datenabrufe aus Dienstcomputern verlässlich ausgeschlossen – und das zweieinhalb Jahre nach dem ersten NSU-2.0-Drohbrief.
Der Umgang mit den Opfern der Morddrohhungen war unsäglich, und ja, es bedarf neuer rechtlicher Bestimmungen, wenn Chats auf Diensthandys mit NS-verherrlichenden Inhalten nicht strafbar sind, weil sie nicht öffentlich gezeigt wurden, sondern „nur“ den PolizeikollegInnen. Die schwarz-grüne Landesregierung muss jetzt liefern. Mit dem Bericht der Expertenkommission hat sie dafür eine Grundlage. Es ist zweifelhaft, ob Innenminister Beuth der richtige Mann dafür ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin