Rechte Aufmärsche in Berlin: Polizei macht aus Nazis Geheimnis
Die Opposition fordert, dass die Polizei Aufmärsche von Neonazis früher bekannt gibt – damit sich Anwohner und Aktivisten darauf einstellen können.
Die NPD will in Berlin wieder marschieren: am 26. April in Kreuzberg, am 1. Mai in Neukölln. Entsprechende Anmeldungen lägen der Polizei vor, hatte Innenstaatssekretär Bernd Krömer (CDU) vergangene Woche im parlamentarischen Verfassungsschutzausschuss gesagt (siehe Text unten). Die Abgeordnete Clara Herrmann hatte nachgefragt. Hätte sie das nicht getan, Krömer hätte geschwiegen. Denn: Demonstrationen von Rechtsextremisten hält die Versammlungsbehörde mit Vorliebe möglichst lange geheim. Erst kurz vor der Versammlung werden die Routen auf Nachfrage von Abgeordneten oder Pressevertretern bekannt gegeben. Die linken Oppositionsparteien forderten deshalb am Montag im Innenausschuss mehr Transparenz.
An Gründen, warum es sinnvoll sein kann, die Öffentlichkeit möglichst früh über geplante Demonstrationen zu informieren, mangelte es in der Debatte indes nicht. „Verheimlichung bewirkt Eskalation“, sagte Herrmann. Als Beispiel führten Grüne und Linkspartei den 14. Mai 2011 an. Damals hatte die Polizei den Rechtsextremen einen Marsch durch Kreuzberg erlaubt, die Anmeldung aber geheim gehalten. Dennoch hatten sich mehrere Hundert Gegendemonstranten am U-Bahnhof Mehringdamm versammelt. Der Einsatz lief der Polizei völlig aus dem Ruder: Die Braunen überrannten die Beamten, verprügelten wahllos Gegendemonstranten und unbeteiligte Passanten, die sie für Migranten hielten. Bei den Jagdszenen gab es zahlreiche Verletzte auch aufseiten der Polizei.
Der damalige Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hatte daraus die Konsequenz gezogen, bei Nachfragen künftig „zumindest einen Tag vorher“ Neonazi-Aufmärsche bekannt zu geben. „Nicht die ganze Route, aber den Startplatz.“ Darauf habe die Bevölkerung einen Anspruch.
Polizei und Innenverwaltung „müssen proaktiv“ – von sich aus – veröffentlichen, forderte der innenpolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux, am Montag. Das müsse für alle Demonstrationen gelten, vom Kaninchenzüchterverein über die Gewerkschaften bis hin zu den Extremisten. „Jeder soll wissen können, wer, wann, wo in Berlin demonstriert“. Udo Wolf, Fraktionschef der Linken, hielt das für zu allgemein: „Es geht um die finsteren Veranstaltungen der Neonazis.“ Je früher die Routen veröffentlicht würden, umso eher können sich die Anwohner und Aktivisten darauf vorbereiten. Entweder indem sie den Rechten aus dem Weg gingen oder selbst demonstrierten und als Zivilgesellschaft Gesicht zeigten.
Innensenator Frank Henkel (CDU) sah indes keinen Anlass, von der Praxis abzuweichen. Pressevertreter erhielten Auskunft, sobald die Route von der Versammlungsbehörde bestätigt sei. Spätestens am Vortag der Versammlung würden Anmelder, Motto und erwartete Teilnehmerzahl bekannt gegeben. Das gelte für Aufzüge unter freiem Himmel. „Mit der Linie“, so Henkel, „sind wir gut gefahren.“
Clara Herrmann widersprach. Im Februar hätten Neonazis am Brandenburger Tor anlässlich des Jahrestages der alliierten Bombenangriffe auf Dresden eine Mahnwache abgehalten. Anderthalb Tage zuvor habe die Polizei auf Nachfrage noch abgewinkt. Erst am Abend vorher sei die Bestätigung gekommen. Das sei zu spät.
Die Polizei handle „keinesfalls immer auf den letzten Drücker“ und „keinesfalls konspirativ“, verteidigte Polizeipräsident Klaus Kandt seine Behörde. Die Kooperationsgespräche mit den Anmeldern über die Strecke würden teilweise aber sehr lange dauern. Bevor man sich nicht über die Route geeinigt habe, habe es keinen Sinn, die Öffentlichkeit zu informieren.
Am Ende scheiterte der Antrag der Opposition auf mehr Transparenz. Immerhin: Wenn die Polizei denn die Demo-Orte bekannt gibt, wird sie das online und für alle ersichtlich tun, waren sich alle Fraktionen einig.
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