Recht: Senator akzeptiert Mahnung
Das Bremer Verwaltungsgericht hat Abschiebungen wegen Zweifeln an der Praxis der "Ersatzpapierbeschaffung" gestoppt und der Innensenator legte keine Beschwerde ein.
Der Bremer Innensenator wird keine Beschwerde gegen die "einstweilige Anordnung" des Verwaltungsgerichtes einlegen, die ihn vor zwei Wochen an die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit bei Abschiebungen nach Schwarzafrika erinnert hat. Bis zur letzten Minute der Frist dauerten am Montag die Beratungen an. Zuvor hatte die Bremer Ausländerbehörde mehrfach bei der Bundespolizei Nachfragen gestellt. Offensichtlich hat die Bundespolizei nicht die Auskünfte liefern können, die der Innensenator benötigt hätte, um das Gericht von der Rechtmäßigkeit seines Handels zu überzeugen. "Handelt eine Behörde ohne Rechtsgrundlage und widerspricht damit dem im Rechtsstaatsprinzip enthaltenen Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, verletzt sie das Grundrecht des Betroffenen aus Art.2.1 Grundgesetz…", hatte es in dem Richterspruch geheißen - eine harte Mahnung an den Innensenator Ulrich Mäurer (SPD).
Es geht um Abschiebungen in Länder wie Guinea, Sierra Leone oder etwa Togo. Es gebe Herkunftsländer, heißt es in einem Papier des Innenressorts, die für Ausstellung der Pässe "nicht akzeptable Gegenleistungen fordern". Von einer "geordneten Verwaltung" nach deutschen Maßstäben könne man da nicht sprechen, sagt der Innensenator, und eine "Gebührenordnung" gebe es auch nicht für öffentliche Dienstleistungen wie etwa die Beschaffung eines Ersatzpasses.
Das machten sich Asylbewerber zunutze. "Es gibt Tausende von illegalen Zuwanderern in Deutschland, die ihre Papiere vernichtet haben", sagt Mäurer. Viele von ihnen "spielen Katz und Maus mit den Behörden". Vor allem aber scheinen einige der Botschaften dieser Länder wenig Interesse zu haben, die "Rückführung" zu unterstützen. Sie stellten "nicht akzeptable Bedingungen", die dann von deutscher Seite abgelehnt würden.
Das Bremer Verwaltungsgericht hat vor zwei Wochen wieder einmal ein Abschiebeverfahren gestoppt, weil es die Praxis der Ersatzpapierbeschaffung "undurchsichtig und zweifelhaft" fand. Da sei die Identität von "Kommissionen" festgestellt worden, über deren Legitimation keine klaren Angaben vorlägen. Im Jahre 2008 hatte eine Kommission aus Sierra Leone getagt und am 24. 9. 2008 mit merkwürdigem Briefkopf und merkwürdiger Unterschrift merkwürdigerweise aus Karlsruhe ein Passersatzpapier ausgestellt - gleichzeitig hatte die Bundespolizei am 10. 11. 2008 der Bremer Ausländerbehörde mitgeteilt, ein Beamter müsse nach Freetown fahren, um die Papiere abzuholen. "Undurchsichtig" findet das Verwaltungsgericht das.
Bei der letzten Sammelvorführung vor einer Kommission aus Sierra Leone im September, um die es in dem aktuellen Bremer Verfahren geht, war wieder kein Vertreter der Botschaft dabei. Nun will der Innensenator das Hauptverfahren abwarten. Das kann ein Jahr dauern, in dem der betroffene Asylbewerber, der seit 2001 in Deutschland lebt, nicht abgeschoben werden kann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Foltergefängnisse in Syrien
Den Kerker im Kopf
Getöteter General in Moskau
Der Menschheit ein Wohlgefallen?
Wirtschaft im Wahlkampf
Friedrich Merz und die Quadratur des Kuchens
Ministerpräsidentenwahl in Sachsen
Der Kemmerich-Effekt als Risiko