Recht im Internet: Das Abmahnen geht weiter

Freiherr von Gravenreuth, der Urvater des Abmahnunwesens, ist wegen Betrugs verurteilt. Die richtig tüchtigen Abmahner sind noch immer am Werk, meinen Verbraucherschützer.

Drei Cocktails. Zugegeben, keine Long Island Ice Teas. Dafür ein garantiert abmahnungsfreies Foto. Bild: dpa

Zwei der eifrigsten Abmahner Deutschlands sind das Ehepaar Marion und Folkert Knieper aus der Lüneburger Heide. Auf www.Marion-Kochbuch.de befinden sich derzeit 2986 Rezepte - "alle mit Bild", wie der Besucher schon beim ersten Googlen erfährt. Wer jedoch eines dieser selbst geschossenen Fotos auf seine Website stellt, läuft Gefahr, Post vom Knieper'schen Anwalt zu bekommen. Neben einer nachträglichen Zahlungsaufforderung für die Nutzung des Schnappschusses wird darin auch sofort Abmahngebühr in Rechnung gestellt. "Mehrere hundert Abmahnungen sind es bestimmt gewesen", sagt Folker Kniepert gegenüber taz.de. Das Paar führe eine eigene Datenbank mit Verstößen, aus der sich ihre Anwälte erfolgversprechende Fälle gezielt aussuchen.

Einer der letzten Briefe ging an das Bundesligaforum. Über die Google-Bildsuche stieß Knieper eines Tages auf das Foto eines Long Island Ice Teas, das er geschossen haben will. Als er daraufhin den Betreibern von www.bundesligaforen.de eine Lizenzforderung in Höhe von 120 Euro schickte, habe man dem Ehepaar gedroht, es öffentlich fertig zu machen. Im Forum hätte es sogar Pläne gegeben, die Abmahner zu Hause aufzusuchen und in ihre Schranken zu weisen. Daher will Knieper seinen genauen Wohnort nicht mehr im Netz lesen.

Da das Bundesligaforum das Foto des Cocktails von einer katalanischen Seite übernommen hatte, die laut Knieper ihrerseits das Bild aus Marions Kochbuch gestohlen hat, ging Knieper diesmal leer aus. Allerdings gab das Landgericht Hamburg seiner Unterlassungsklage recht. Sollte sich also ein derartiger Fall wiederholen, wird es teuer.

Laut einer Studie der Trusted Shop GmbH hat die Hälfte der Abgemahnten einen Schaden von über 1.500 Euro, in Einzelfällen mehrere Zehntausend Euro. Vor allem auf ebay bekämpften Unternehmen wie Abercrombie & Fitch oder Mediamarkt jeden noch so kleinen Verstoß. Und nicht nur da. In den letzten Monaten bedachte Mediamarkt auch zahlreiche Internetkonkurrenten mit Abmahnungen. Der Vorwurf: Die Konkurrenten würden pro Seite nur ein Mal auf Versandkosten und Mehrwertsteuer hinweisen. Mediamarkt war jedoch der Meinung, die Zusatzkosten müssten neben jedem einzelnen Artikel aufgeführt werden. Wie viele solcher Abmahnungen es gegeben hat, lässt sich allerdings nur schwer ermitteln, weil Mediamarkt nicht als Großkonzern auftritt, sondern jede Filiale einzeln klagen lässt. Anfang Oktober urteilte jedoch der Bundesgerichtshof zugunsten eines der Abgemahnten, dem PC-Onlineshop Mindfactory.de. Daher rechnet Rechtsanwalt Jens Dohmgoergen vom Bundesverband des Deutschen Versandhandels damit, dass Mediamarkt auch in den meisten anderen Verfahren den Kürzeren ziehen und auf den Prozess- und Anwaltskosten sitzen belieben wird.

Trotzdem wollen Verbraucherschützer "das Prinzip Abmahnung nicht per se verurteilen", sagt Ronny Jahn von der Verbraucherzentrale Berlin. "Aber es gibt Firmen bei denen man den Eindruck hat, sie machen nichts anderes." Auch Rechtsanwalt Dohmgoergen hat den Verdacht, dass es eine Allianz zwischen Anwälten und kleinen Shopbetreibern gibt, dass die Kanzleien den Mandant nur vorschieben, um abmahnen zu können. So habe kürzlich ein sehr kleiner Blumenversender aus Berlin massiv Abmahnungen an Konkurrenten verschickt. Nach dem Gesetz sind die Händler dazu verpflichtet, den Kunden online über sein Rückgaberecht zu informierten. Das hatten die Konkurrenten auch getan, allein die Formulierung entsprach nicht den Vorschriften.

Laut Dohmgoergen entstehen durch die komplizierte Rechtssprechung im Internetshopping zahlreiche Angriffspunkte für diejenigen, die sich aufs Abmahnungen-Schreiben spezialisiert haben. Sobald ein Gericht eine falsche Formulierung beanstande, würden sie losgoogeln, um Anbieter aufzuspüren, die ähnliche Fehler auf ihrer Seite haben. Nicht zuletzt, weil die Chancen für Abmahner wie die Kniepers juristisch recht gut stehen. Denn anders als Marken, die erst eingetragen werden müssen, steht praktisch jedes Bild unter dem Schutz des Urheberrechtsgesetzes, ohne dass der Fotograf einen Finger rühren muss.

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