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Reaktionen auf vorgestellte Öko-ReformGabriel muss graswurzeln

Das Finanzministerium distanziert sich vom radikalem Konzept des Umweltministers zum Umbau der Industriepolitik. Öko-Mananger sehen die Änderung der Mehrwertsteuer skeptisch.

Frische Brise um den Umweltminister. Bild: dpa

Ökologische Steuerreform? Offenbar kein Thema für die Bundesregierung. Die Überlegungen seien nicht mit dem Finanzministerium abgestimmt und stellten deshalb auch "kein Regierungshandeln dar", sagte ein Ministeriumssprecher am Montag. Und auch der Sprecher von SPD-Bundesumweltminister Sigmar Gabriel gab sich bescheiden: Bei dem 36-Seiten-Papier, das am Wochenende (taz vom 25. August) bekannt geworden war, handele es sich nicht um ein Konzept der Bundesregierung, sondern einen "breitgestreuten Diskussionsprozess".

Dabei hat sich Gabriel viel vorgenommen. Schließlich geht es um den Umbau der kompletten deutschen Industriestrukturen. Diese sei "Voraussetzung" dafür, "dass unsere moderne Gesellschaft eine Zukunft hat, ökonomisch und ökologisch", schreibt Gabriel in dem Begleitbrief zu dem Konzept, das er Gewerkschaften, Wirtschaftsverbänden und Wissenschaftlern zugeschickt hat und das auf einem Kongress am 22. Oktober in Berlin diskutiert werden soll. Darin nennt Gabriel etwa 40 Maßnahmen, mit denen die deutsche Wirtschaft Klimawandel und Ressourcenknappheit überstehen und neue Märkte nutzen soll.

Kerngedanke ist eine Neuausrichtung staatlicher Subventions- und Steuerpolitik, die künftig nur noch fördern soll, was ökologische Verbesserungen bringt. Zum Beispiel auch durch eine Neugestaltung der Mehrwertsteuer, bei der künftig ökologisch korrekte Produkte geringer besteuert werden sollen.

Grundsätzlich positiv bewertet das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) das Papier aus dem Hause Gabriel. Das "deutliche Bekenntnis zu marktwirtschaftlichen Anreizen" sei zu begrüßen, sagte Anselm Görres, Unternehmensberater und FÖS-Vorsitzender der taz. Nicht zu den besten Lösungen hingegen zählt er die Pläne für die Mehrwertsteuerspreizung. Sie sei ein "grobes Instrument", weil es nur zwei Stufen gebe, und zudem werde ein hoher bürokratischer Aufwand fällig. Besser wäre es, die Ökosteuer weiterzuentwickeln, also den Energieverbrauch noch stärker mit Steuern zu belegen und die Einnahmen dann für ökologische Projekte und sozialen Ausgleich, wie zum Beispiel ein günstiges Stromkontingent für finanzschwache Haushalte, zu verwenden.

Auch Gottfried Härle, Vorstand des ökologisch ausgerichteten Wirtschaftsverbandes "Unternehmensgrün", ist mit Blick auf den Vorschlag zur Mehrwertsteuer skeptisch. "Das führt zu riesigen Abgrenzungsproblemen", sagte Härle der taz. Welche Kriterien sollen bei Kühlschränken und Autos gelten? Besser sei es, über das Ordnungsrecht zu operieren, was das Konzept ebenfalls vorsieht. Strenge Grenzwerte zum Beispiel für Autoabgase und klare Vorgaben für den Energieverbrauch von Elektrogeräten würden eine entsprechende Dynamik der Märkte effektiver in Gang setzen als eine Änderung der Mehrwertsteuer.

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1 Kommentar

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  • LP
    Ludwig Paul Häußner

    Suffizienz - Effizienz - Äquivalenz

     

    Die ordnungspolitische Aufgabe des Rechtsstaates ist, die Emissionen bzw. den Umweltverbrauch durch entsprechende Verordnungen oder Gesetze zu begrenzen, damit ein sparsamer Umgang (Stichwort: Suffizienz) mit Umweltgütern überhaupt erst möglich wird. Das ist die 1. normativ-legislative Ebene. Kurz: Kein Spiel ohne Grenzen.

     

    Auf der zweiten Ebene muss durch Entgelte (Ökoabgaben statt Ökosteuern!) auf Umweltgüter ein effizienter ökonomischer Umgang mit den natürlichen Ressourcen ermöglicht werden.

     

    Die auf der zweiten Ebene erzielten Einnahmen darf nicht der Staat behalten, sondern er muss die Einnahmen den Ökoabgaben (die als Abgaben zweckgebunden sind - nämlich zum Zweck der Rückvergütung pro BürgerIn auszahlen. Das ist die 3. Ebene: gleiches Teilhaberecht an den Umweltgütern – in geldlicher Äquivalenz.

     

    Die Rückvergütung der Ökoabgaben als Das könnte z. B. mit Hilfe der lebenslangen Steueridentifikationsnummer geschehen.

     

    Der Vorteil wäre ein dreifacher, die Umweltnutzung würde begrenzt, jede® BürgerIn könnte sich eine durchschnittliche Umweltnutzung gemäß der Ebene 1 leisten und der Anreiz für weitere Sparmaßnahmen wäre für alle gegeben.

     

    Ludwig Paul Häußner

    Interfakultatives Institut für Entrepreneurship

    Universität Karlsruhe (TH)