Reaktionen auf Naziterror: Zurück bis ins Jahr 1998
Quer durch alle Parteien diskutieren Politiker über den Naziterror. Die Reaktionen reichen von "handfester Verfassungsschutzskandal" bis Überprüfung aller rechtsextremen Straftaten.
BERLIN dapd/dpa/afp | Nach den bisherigen Hinweisen zur ausländerfeindlichen Mordserie habe man es in Deutschland "mit einer neuen Form des rechtsextremistischen Terrors zu tun", sagte Innenminister Hans-Peter Friedrich am Sonntag in Berlin.
Er will nun alle ungeklärten Straftaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund seit 1998 noch einmal überprüfen lassen, ob sie der Mordserie der Verdächtigen der Gruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) zugeordnet werden können. Es müsse herausgefunden werden, ob es hinter den Verdächtigen noch weitere Personen gab, vielleicht sogar ein Netzwerk.
Gleichzeitig wies er Vermutungen zurück, die Mitglieder der NSU, die mutmaßlich für neun Morde verantwortlich sind, hätten Kontakt mit dem Verfassungsschutz gehabt. Gegen seine Darstellung sprechen Ermittlungen der Polizei, die laut Bild bei Beate Z., einer der Verdächtigen, Ausweispapiere gefunden hat, die eine Verbindung zum Verfassungsschutz nahelegen.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) forderte am Sonntag, Berichten über eine mögliche Verwicklung von Verfassungsschützern müsse mit Nachdruck nachgegangen werden. Linken-Fraktionsvize Dietmar Bartsch sprach von einem "handfesten Verfassungsschutzskandal".
Was wussten Behörden?
Das parlamentarische Kontrollgremium für die Überwachung der Geheimdienste wird sich in einer Sondersitzung mit dem Fall befassen, wie dessen Vorsitzender Thomas Oppermann (SPD) ankündigte. Er wolle Klarheit darüber, "was die Behörden wussten und wie solche Straftaten in Zukunft besser verhindert werden können", sagte er der Bild am Sonntag.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich angesichts der bisherigen Erkenntnisse besorgt. Die Ermittlungen müssten "mit größter Sorgfalt" geführt werden. Die Vorfälle ließen "Strukturen erkennen, die wir uns so nicht vorgestellt haben", sagte sie am Sonntag.
Der Rechtsextremismus-Experte Bernd Wagner sieht ein hohes Gewaltpotenzial bei militanten Rechtsextremisten. "Dabei geht es auch um Morde", sagte er der dpa. Kleine Gruppen versuchten im Untergrund, für einen "militärisch organisierten Partisanenkampf" Waffen und Sprengmittel zu beschaffen.
Unterdessen hat Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) davor gewarnt, im Fall der Neonazi-Mordserie die Kronzeugenregelung anzuwenden. "Ich halte nach jetzigem Erkenntnisstand eine Debatte um Strafmilderung für politisch und rechtlich verfehlt", sagte er der Nachrichtenagentur dpa am Sonntag.
Beate Z. hatte sich der Polizei gestellt und will nur aussagen, wenn ihr als Kronzeugin Strafmilderung zugesichert wird. Eine Strafmilderung sei bei Morden aus ausländerfeindlichen, rassistischen Gründen ein völlig falsches Signal, so Körting.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken