Reaktionen auf ESM-Herabstufung: „Von Blindheit geprägte Entscheidung“
Nachdem die Ratingagentur Moody's den europäischen Rettungsschirmen die Bestnote entzogen hat, regt sich Kritik. Ökonomen zeigen hingegen Verständnis.
BERLIN dapd | Die Herabstufung der europäischen Rettungsschirme durch die Ratingagentur Moody's hat gemischte Reaktionen hervorgerufen.
„Alle verlangen immer frühzeitige Warnungen von den Ratingagenturen. Deshalb sollte man sich jetzt nicht beschweren“, sagte Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, der Welt am Sonntag. Frankreich sei „das zentrale Problem in Europa“ und brauche „ein neues Geschäftsmodell“. Als „absolut nachvollziehbar“ bezeichnete der Hannoveraner Finanzwissenschaftler Stefan Homburg den Schritt.
Die Entscheidung von Moody's sei „schwierig zu verstehen“, sagte dagegen der Chef des permanenten Euro-Rettungsschirms ESM, Klaus Regling. Sie berücksichtige nicht im nötigen Ausmaß das starke institutionelle Rahmenwerk, die politische Verpflichtung und die Kapitalstruktur des ESM.
Kritik kam auch von Joachim Poß, dem stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion. „Nach der von ökonomischer und politischer Blindheit geprägten Entscheidung von Moody's zur Herabstufung des ESM muss jetzt der europäische Entscheidungsprozess zur Regulierung der Ratingagenturen beschleunigt werden“, erklärte er. „Zu erwarten ist darüber hinaus, dass die Marktteilnehmer die notorische Analyseschwäche von Moody's bei ihren Entscheidungen berücksichtigen werden.“
Bewertung von AAA auf AA1 herabgestuft
Die Ratingagentur Moody's hatte den europäischen Rettungsschirmen am Freitagabend ihre Spitzen-Bonität entzogen. Sowohl die langfristige Bewertung des permanenten Euro-Rettungsschirms ESM als auch die des provisorischen Hilfsfonds EFSF seien um eine Stufe von Aaa auf Aa1 gesenkt worden, teilte die Ratingagentur mit.
Grund für den Schritt sei die jüngste Herabstufung Frankreichs, das nach Deutschland der zweitgrößte Garantiegeber für die Kreditfähigkeit des ESM sei.
Das Kurzzeit-Rating für den Rettungsschirm ESM steht bei Moody's weiter auf dem Spitzenrating Aaa, der Ausblick bleibt negativ. Bei der Ratingagentur Fitch hat der ESM sowohl in der kurz- als auch in der langfristigen Bewertung Top-Bonität.
Kreditwürdigkeit der Rettungsschirme mit Staaten-Bewertung verknüpft
Nach Ansicht von Moody's hängt die Kreditwürdigkeit der Rettungsschirme angesichts der wirtschaftlichen, institutionellen und finanziellen Verflechtungen ihrer größten Unterstützer an der Bewertung der größten Euro-Staaten.
Die Ratingagentur hatte das Euro-Schwergewicht Frankreich vergangene Woche ebenfalls von Aaa auf Aa1 herabgestuft und das mit dem anhaltenden Verlust der Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs und der Unbeweglichkeit des dortigen Arbeitsmarktes begründet.
Der Europäische Stabilitätsmechanismus ESM ist der Nachfolger des zeitlich begrenzten Rettungsschirms EFSF. Er soll strauchelnden Ländern der Währungszone mit Notkrediten beistehen und kann dafür bis zu 500 Milliarden Euro ausgeben. Die Kapitalbasis beträgt sogar 700 Milliarden Euro.
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