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Rauswurf erspart

Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt (SPD) kommt wahrscheinlich noch mal davon: Sein polizeiliches Führungszeugnis bleibt unbefleckt

aus SaarbrückenKLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

„Beihilfe zur Untreue“ soll der amtierende Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt (SPD) geleistet haben. Nach Informationen der taz wird ihm die Staatsanwaltschaft in Koblenz deshalb in den nächsten Tagen einen Strafbefehl in Höhe von 90 Tagessätzen seines Nettogehalts persönlich überreichen. Klimmt wird die circa 45.000 Mark wohl zahlen, denn ihm bleibt immerhin eine Schmach erspart, die ihn womöglich sein Ministeramt gekostet hätte: Bei einem Strafbefehl von mehr als 90 Tagessätzen hätte Klimmt einen Eintrag in sein polizeiliches Führungszeugnis erhalten.

Im Gegenzug für den Strafbefehl verzichtet die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit der „Affäre Doerfert“ außerdem auf eine Anklageerhebung gegen den ehemaligen Ministerpräsidenten des Saarlandes und ehemaligen Präsidenten des Fußballvereins 1. FC Saarbrücken (FCS). An diesem Deal war offenbar maßgeblich Franz-Josef Abel beteiligt, der Rechtsanwalt von Klimmt.

Damit kommt der „gute Freund“ und Nachfolger von SPD-Enfant-terrible Oskar Lafontaine als Parteivorsitzender an der Saar billig davon. Hans-Joachim Doerfert, der „Pate von Trier“, dem zurzeit in Koblenz der Prozess gemacht wird, muss die nach ihm benannte Affäre wohl alleine ausbaden. Untreue, Bestechung und Betrug in 74 Fällen werden dem ehemaligen Topmanager der Caritas-Trägergesellschaft Trier (CTT) vorgeworfen.

Exakt 614.000 Mark hatte Klimmt als Präsident des FCS 1997 von Doerfert gerne angenommen: für den geplanten Wiederaufstieg der Fußballer aus der Hauptstadt des Saarlandes in die 2. Bundesliga. Im Gegenzug sollten die „Physiotherapeuten“ des FCS in den Kliniken und Altenheimen der CTT „Unterstützung bei der gesundheitlichen Vor- und Nachsorge“ der Patienten leisten. So jedenfalls steht es in dem von Klimmt und seinem damaligen Vizepräsidenten, dem amtierenden Innenminister des Saarlandes, Klaus Meiser (CDU), unterzeichneten Vertrag. Doch nie wurde ein Masseur des FCS oder gar der Trainer der ersten Mannschaft in einer Einrichtung der CTT auch nur gesichtet. Der Vertrag, so die Schlussfolgerung der Staatsanwaltschaft, sei ein „Scheinvertrag“ gewesen.

Doerfert habe sich mit dem veruntreuten Geld aus der Caritas-Kasse die Unterstützung der beiden Politiker erkaufen wollen; an eine Gegenleistung durch den FCS sei nie gedacht gewesen. Doerfert bestätigte das im Prozess vor dem Landgericht in Koblenz. Meiser und Klimmt, der damals Fraktionschef der SPD im Landtag war, seien von ihm und der CTT als „Türöffner, Fürsprecher und Nothelfer in der Gesundheitspolitik“ eingekauft worden. Auch dieser Deal funktionierte: Beim großzügigen Bettenabbau im Bistum Trier kamen die Kliniken der CTT außerordentlich glimpflich davon – so wie jetzt Klimmt. Nimmt er den Strafbefehl an, kommen auch weitere Vorwürfe wegen Bestechlichkeit gegen ihn nicht mehr vor Gericht zur Sprache. 300.000 Mark bekam Klimmt von Doerfert mitten im Landtagswahlkampf 1999: Angeblich zur Unterstützung einer Ausstellung im Weltkulturerbe Völklinger Hütte. Auch wertvolle Bücher für den Sammler Klimmt gab es von Doerfert umsonst.

Klimmt wird also im Kabinett von Kanzler Schröder bleiben können. Zur Freude von Schröder? Der wäre den „Lafontaine-Mann“ Klimmt gerne losgeworden, glauben Ketzter in der SPD-Fraktion in Berlin. Nicht nur gibt der Minister beim Bahn-Desaster keine gute Figur ab. Auch dessen „Schlabberanzüge ohne Form und Stil“ würden „Armani-Schröder“ doch schon lange sauer aufstoßen, hieß es.

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