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Rausschmiss wegen EhefrauDer Fluch der chinesischen Braut

Ein Arbeiter eines Militär-Zulieferers wird zum Sicherheitsrisiko erklärt. Der Grund: Seine chinesische Ehefrau. Arbeitsrechtler halten das für verfassungswidrig.

Die falsche Frau: Maik B. und Aiwu nach der Hochzeit. Bild: Privat

Es ist eigentlich etwas ganz normales, dass jemand seine langjährige Freundin heiratet. Für Maik B. ist das aber zum Problem geworden, denn seine Frau Aiwu ist Chinesin und hat eine minderjährige Tochter. Und deshalb bekam der 47-Jährige von der Textilfirma Autoflug in Rellingen bei Pinneberg die Kündigung. Begründung: Er sei nun ein Sicherheitsrisiko. "Man möchte mich wohl auf eine krude Art geräuschlos entsorgen", sagt Maik B. "das ist ein Novum, denn ich habe mir nichts zu Schulden kommen lassen".

Maik B. ist seit Juni 2006 in dem Unternehmen als Mitarbeiter der Musterprüfleitstelle und Konfigurationskontrolle tätig - zunächst über eine Leiharbeitsfirma. Autoflug ist Zulieferer der Luftwaffe und Bundeswehr, stellt unter anderem Schleuder- und Sicherheitssitze für Kampfjets und Transportflugzeuge und gepanzerte Landfahrzeuge her. Zur Produktpalette gehören auch Bremsfallschirme für Kampfjets und Fallschirme sowie Sicherheitsanzüge für Militärpiloten.

Seit 2007 ist im Betrieb bekannt, dass der Maik B. seinen Urlaub in China bei seiner Freudin Aiwu W. und ihrer Tochter verbringt. Vor dem ersten Flug nach Hong Kong ist er zwar von seinem Abteilungsleiter aufgefordert worden, bei der Sicherheitsbeauftragten von Autoflug vorstellig zu werden, ob Bedenken bestehen würden, diese hatte jedoch keine Sicherheitsbedenken geäußert.

Grundrechte

Mit der Kündigung von Maik B. wegen der Eheschließung mit einer Chinesin verstößt die Firma Autoflug gegen mehrere Grundrechte:

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Die Würde des Menschen ist unantastbar, heißt es in Artikel 1 des Grundgesetzes (GG).

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Das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit regelt Artikel 2 GG.

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Ehe und Familie stehen unter einem besonderen Schutz staatlicher Ordnung, besagt Artikel 6 GG.

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Das Recht, Beruf und Arbeitsplatz frei zu wählen, garantiert Artikel 12 Grundgesetz.

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Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, versucht das Antidiskriminierungsgesetz (AGG) zu verhindern.

Auch in den folgenden Jahren ist Maik B. noch zwei Mal vom Abteilungsleiter gebeten worden, vor China-Flügen die Sicherheitsbeauftragte zu kontaktieren, jedes Mal wieder sah diese keine Probleme. "Sie wünschte mir sogar einen schönen Urlaub", sagt Maik B.

Ende vorigen Jahres plante Maik B., seine Freundin Aiwu zu heiraten. Gleichzeitig machte Autoflug ihm das Angebot, ihn nach vier Jahren Leiharbeit zum 1. Februar im Betrieb fest zu übernehmen. Es wurde ein Vertrag auf der Basis tariflichen Bestimmungen der Textil- und Bekleidungsindustrie vereinbart.

Einen Monat später jedoch kam die seltsame Wende. Der Personalleiter teilte Maik B. mit, dass die Geschäftsführung ihn als Sicherheitsrisiko einstufe. Durch die familiären Kontakte zur Volksrepublik China unterliege er der besonderen Gefährdung durch "Anbahnungs- und Werbungsversuchen chinesischer Nachrichtendienste".

Er sei sogar im besonderen erpressbar. So könnte man seine Frau oder ihre Tochter entführen, damit er Informationen aus der Firma Autoflug an die chinesischen Geheimdienste verrate. Ohne konkrete Anhaltspunkte und ohne eine konkrete Sicherheitsüberprüfung wurde Maik B. wegen des Generalverdachts mit sofortiger Wirkung beurlaubt. Im Juni bekam er eine Kündigung zum 30. September.

"Wir haben als Betriebsrat der Kündigung widersprochen", sagt Autoflug Betriebsratschef Sigmund Golke, da soziale Gründe nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Als die Firma noch etwas nachgereicht habe, so Golke, sei der Widerspruch nochmals bestätigt worden.

Für Maik B.s Anwalt Michael Tsalaganides ist das Vorgehen völlig unverständlich. "Bei Autoflug hat ein Drittel der Belegschaft einen Migrationshintergrund, es wird sogar eine Halbchinesin beschäftigt", sagt Tsalaganides. "Ich habe so etwas überhaupt noch nicht erlebt." Maik B. werde durch die Kündigung in mehreren Grundrechten verletzt. Es sei auch mit dem Schutz der Ehe unvereinbar, wenn eine bestimmte Staatsbürgerschaft des Ehepartners verlangt werde. Ein Generalverdacht gegenüber Chinesen und ihren Ehepartnern sei unvereinbar mit der Menschwürde, sagt Tsalaganides.

Vor allem sei der Rausschmiss ein klarer Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das eine Benachteiligung aus "Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft" verbietet, sagt Tsalaganides. "Gerade vor dem Hintergrund des AGG ist die Kündigung nicht nachvollziehbar."

Auch der für die Textilindustrie und Autoflug zuständige Bevollmächtigte der IG Metall Unterelbe, Uwe Zabel, ist entrüstet. "Das ist krasser Verfassungsbruch - mehr kann man dazu nicht sagen."

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14 Kommentare

 / 
  • MB
    Maik B.

    Um Misverständnissen vorzubeugen: Ich bin 47 und meine Frau ist 40,5 Jahre alt. Sie ist weder geldgierig noch verschwendungssüchtig. Im Gegenteil, sie ist aüßerst sparsam und preisbewußt. Und hier noch einige Attribute, die sie für mich zur tollsten Frau der Welt machen: charmant, humorvoll, warmherzig, liebevoll, sanftmütig, fürsorglich, mental sehr stark...einfach umwerfend und faszinierend. Wäre sie all das nicht, wären wir nicht verheiratet.

  • N
    Nachdenken!

    Nachdenken statt "wissen" ist oft hilfreich!

    @straight: Ich nehme mal nur Deinen Punkt auf:

    Zitat: "btw zum zweiten, dass diese junge Frau solch einen Mann aus einem anderen Grund als Geld heiratet, ist wie wahrscheinlich...? Und gibt es da ein Wort dafür?..."

    Aha, eine Ausländerin, die einen älteren Ausländer heiratet ist also eine Prostituierte? Heißt das, dass nur Menschen gleichen Alters und gleichen Einkommens heiraten dürfen? Am besten noch nur, wenn sie im gleichen Land leben? Also bitte, wer in einer Gesellschaft lebt, in der Frauen häufig nur gering geachtet werden, insbesondere unverheiratete Frauen mit Kind, weiß vielleicht einen Menschen zu schätzen, der sie mit Kind akzeptiert und achtet und bereit ist sie zu heiraten.

    btw: wie nennt man diese Haltung? Sexistisch? Rassistisch?

    Egal, wer gegen die Mischung von Einkommensgruppen und Nationalitäten wettert - natürlich mit den besten Absichten und politisch korrekt (Ha. Ha...) - ist ignorant gegenüber den vielschichtigen Motiven, die Menschen aus zwei Ländern zu einer Ehe bewegen können. Mindestens.

  • F
    Felicite

    Ist es eigentlich ein Zufall, dass zwar das Alter von Herrn B. genannt wird (47), das Alter seiner Frau aber höflich verschwiegen wird? Dass man hier für das Recht eines Mannes eintritt, in der Rüstungsindustrie das Geld zu verdienen, um eine Frau zu unterhalten, die sich entschieden hat, einen Mann aus einem reichen Land zu ehelichen, der in etwa doppelt so alt wie sie selber sein wird?

    Ein wenig mehr Bewusstsein für die Zwangslagen von Frauen in Staaten ohne staatliche soziale Absicherung sollte die TAZ vielleicht schon zeigen - besonders wenn man sich ansieht wie groß der soziale und finanzielle Druck für Frauen ist, die in solchen Ländern alleine für ein Kind sorgen müssen.

  • SM
    Stephan Mirwalt

    Ich würde lieber arbeitslos sein als in der Rüstung zu arbeiten.

  • L
    Lobito

    Zum Kommentar "von Straight".

    Ja, es gibt ausser Geld noch andere Gründe, dass eine Chinesin einen Deutschen heiratet. Obwohl ich mich im unteren Einkommensdrittel bewege, keinen Cent für die Familie meiner Frau locker machen kann und im Gegenteil bei meinen China-Besuchen herzlich aufgenommen werde, führe ich eine sehr harmonische Ehe, bewege mich in China völlig frei und habe mich bisher nur für die deutsche Botschaft in Peking geschämt, wo meine Frau wie ein Bettler aus der dritten Welt behandelt wurde und erst nach 19!! Monaten ein Visum zum Ehegattennachzug nach Deutschland erhielt. Und das auch erst nach langem, fast zermürbendem Kampf. Ideologie???

  • B
    blah

    wie ätzend. hoffe, die beiden setzen sich im Prozeß durch.

  • M
    menadtheboys

    Ich lebe seit 2 Jahren mit einer chinesischen Partnerin zusammen. Kennengelernt haben wir uns im Studium. Glauben Sie mir, ich würde den Arbeiter auch als Sicherheitsrisiko einstufen. Ein Rausschmiss ist nicht gerechtfertigt, aber eine hausinterne Versetzung and weniger sensible Stellen ist für mich denkbar.

  • S
    Schiilz

    Katastrophe,

    ist das rote Kleid schuld?

    Welche Aggressionen sind hier im Spiel.

    Der Vater des minderjaehrigen Kindes?

    Eigentlich nicht zu glauben.

    Wer will auf den Arbeitsplatz in Deutschland

    nachruecken?

    Oder wem entgeht ein Gewinn

    durch eine Festanstellung?

    Ich war noch nie in China.

    Vorsicht: Feindland?

    Wieso?

    Niemand kennt eine Begruendung.

     

    Nur das Militaer entzieht Deutschland

    Finanzen...

    verlagert Produktionsplaetze?

  • T
    Tobi

    Völlig korrektt.

    1988 als DDR Flüchtling wurde mir auch eine angemessene Arbeit im sensiblen Bereich einer Firma nicht erlaubt. Entweder Scheidung von meiner Frau, die mit den Kindern noch drüben war, oder Jobverzicht.

    Begründung: Druckempfindlich gegenüber der Stasi.

  • J
    jurist

    liebe redakteure,

     

    macht doch mal was ganz besonderes und geht recherchieren.

     

    es gibt da was, das nennt sich "fehlende drittwirkung der grundrechte" und das besagt, dass private nicht gegen grundrechte verstoßen können.

    die grundrechte gelten nur zwischen staat und bürger, nicht jedoch zwischen einer firma und einem mitarbeiter.

     

    aber es macht ja viel mehr spaß, gleich mit der menschenwürde-keule anzukommen, als mal einen grundgesetz-kommentar aufzuschlagen.

     

    grüße

  • S
    straight

    wenn's der ideologie dient, nehmen die tazler sogar arbeiter aus der rüstungsindustrie in schutz. congraz zu solch einem wendehals.

     

    btw, was wäre eigentlich gewesen, wenn mitarbeiter des café kabale diesen mann mit seiner chinesischen frau aus dem café geworfen hätten? weil waffenproduktion nicht zu ihrer "ideologie" passt? auf welcher seite wärt ihr dann gewesen?

     

    btw zum zweiten, dass diese junge Frau solch einen Mann aus einem anderen Grund als Geld heiratet, ist wie wahrscheinlich...? Und gibt es da ein Wort dafür? Und wie steht ihr dazu?

  • M
    manni

    2.500.000.000 Euro Bußgeld und jeweils fünf Jahre Zuchthaus (keine Bewährung!) für die Geschäftsführung des Betriebs.

  • L
    Leir

    Ich glaube, die Erschaffer unserer verfassungsgemäßen Ordnung haben schon darauf geachtet, dass die Grundrechte nicht in Konflikt mit den Sicherheitsbedürfnissen des Staates kommen. Notfalls wird der Widerspruch einfach, wie bei der Wehrpflicht, ignoriert. Insofern ist es zumindest fragwürdig, ob das Herunterbeten dieser Rechte einen Erfolg hat, zumal das Unternehmen ja ansonsten offenbar nicht durch Feindlichkeit gegen Ausländer oder Chinesen im Besonderen auffällt.

    Mir scheint hier ein klassisches Missverständnis von Rechten vorzuliegen - Herr B. hat das Recht, seine Freundin zu heiraten, nicht aber das Recht, unter allen Umständen in einem sicherheitsrelevanten Betrieb zu arbeiten. Auch Deutsche können wegen sicherheitstechnischen Bedenken abgelehnt werden.

  • JD
    John Doe

    So geht es also in der Rüstungsindustrie zu. Interessant!