piwik no script img

Ratzmann verlässt das ParlamentZehn gute Jahre

Der Ex-Fraktionschef der Grünen, Volker Ratzmann, arbeitet ab jetzt fürs Musterländle. Zu seinem Abschied kam sogar Klaus Wowereit.

Ratzmann hat gut lachen: Ein neuer Job wartet. Bild: dapd

Da lag dann doch ein feuchter Schimmer in seinen Augen – oder war es nur das Licht der Kameras, die einfangen wollten, wie der Grüne Volker Ratzmann nach über zehn Jahren das Abgeordnetenhaus verlässt? „Volker hört die Signale, auf ins nächste Gefecht“, sang – nach der Melodie der „Internationalen“ und in Anlehnung an eine taz-Überschrift – der Fraktionschor vor dem Plenarsaal des Parlaments. Und von seiner langjährigen Ko-Chefin Ramon Pop hörte Ratzmann, dass ihm die Öffnung der Grünen zur Wirtschaft und die gewachsene Fraktion zuzuschreiben seien. Als beide im Jahr 2001 ins Parlament kamen, gab es 14 grüne Abgeordnete, heute sind es 29.

Dass Pop mit der Öffnung nicht falsch lag, war an den Gästen zu sehen, unter ihnen der Präsident der Industrie- und Handelskammer, Eric Schweitzer. Die kommissarische Polizeipräsidentin Margarete Koppers kam als eine der Ersten und ging als eine der Letzten. Auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) schaute vorbei und wurde für so manche Stichelei mit Ratzmanns Trinkspruch entschädigt: „Auf das Parlament, auf Berlin und auf die Regierung, Klaus.“

Das vom Fraktionschor so besungene nächste Gefecht des 51 Jahre alten Ratzmann ist seine künftige Arbeit in der baden-württembergischen Landesvertretung, nur anderthalb Kilometer vom Abgeordnetenhaus entfernt. Es ist sein erster Regierungsjob: Die bislang letzte grüne Senatsbeteiligung endete, kurz nachdem er 2001 gewählt wurde. Und im vergangenen Jahr, als Ratzmann schon als künftiger Innensenator galt, scheiterten die Grünen auf der Zielgeraden.

Seine Zeit im Abgeordnetenhaus nannte der Scheidende rückblickend „zehn sehr gute Jahre, die ich hier verbracht habe“. Kein böses Wort über die Querelen in der Grünen-Fraktion im Herbst, in deren Verlauf Ratzmann nach über acht Jahren als Fraktionschef zurückgetreten war. Im Chor sangen munter erbitterte Gegner aus jenen Tagen neben Ratzmann-Getreuen.

Gemeinsam offenbarten beide Seiten viel Wunschdenken angesichts der Tatsache, dass Berlin erst 2016 wieder wählt: „Klaus der Alte“ fliege bald raus, hieß es, die Grünen würden es nicht länger ertragen. Zu Wowereit sagte Ratzmann deshalb: „Klaus, du siehst, wir sind schon viel zu lange in der Opposition.“ Worauf Wowereit, im Zweitjob Kultursenator und offenbar Verdi-Kenner, sinnigerweise erwiderte: „Das war ja auch so was wie ein Gefangenenchor.“ Foto: dapd

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!