Rassistische Polizeigewalt in den USA: Polizist wegen Mordes angeklagt
Ein weißer Polizist soll 16 Schüsse auf einen schwarzen Jugendlichen abgegeben haben. Nun muss er sich wegen Mordes verantworten.
Stunden später machte die Verwaltung von Chicago ein Polizeivideo von dem tödlichen Einsatz publik. Bei Vertretern der Stadt ging die Sorge vor Unruhen wie in Baltimore und Ferguson um, wo schwarze Männer von Beamten getötet oder in Polizeigewahrsam umgekommen waren. Bürgermeister Rahm Emanuel mahnte Anwohner zur Ruhe. Kurz nach Veröffentlichung des Polizeivideos kam es zu ersten Demonstrationen.
Der 17-jährige Afroamerikaner Laquan McDonald war am 20. Oktober 2014 getötet worden. Im knapp 40 Sekunden langen Video ist der Teenager auf einer vierspurigen Straße zu sehen, in deren Mitte Polizeiwagen stehen. Während McDonald die Straße hinunterjoggt, bewegt er sich von zwei Beamten weg, die mit gezogenen Waffen aus ihrem Auto steigen.
Plötzlich feuert einer der Polizisten aus nächster Nähe. McDonald dreht sich um und sackt zu Boden. Die am Polizeiwagen angebrachte Kamera richtet sich nun auf den am Boden liegenden Jugendlichen. McDonald bewegt sich. Mindestens zwei kleine Rauchwolken steigen von seinen Körper auf, während der Beamte weiterfeuert. In den letzten Momenten der Aufnahme ist zu beobachten, wie ein Polizist etwas aus den Händen des Teenagers kickt.
Der Polizei zufolge trug McDonald ein Messer. Staatsanwältin Anita Alvarez sprach von einem 7,5 cm langen Messer, dessen Klinge ins Heft eingerastet am Schauplatz vorgefunden worden sei.
Ein Autopsiebericht ergab, dass McDonald mindestens zwei Mal in den Rücken geschossen wurde. In seiner Blutbahn sei zudem die Droge PCP nachgewiesen worden.
Magazin leergeschossen
Der beschuldigte Polizist war der einzige von etlichen Beamten am Tatort, der das Feuer eröffnete. Dabei habe er sein gesamtes 16-Schuss-Magazin leergeschossen, sagte Staatsanwältin Alvarez. Nur binnen sechs Sekunden nachdem er aus seinem Wagen ausstieg, habe der Polizist geschossen und sogar weiter weitergemacht, als McDonald längst zu Boden gegangen sei.
Der Anwalt des Polizisten, Dan Herbert, argumentierte, sein Mandant habe um sein Leben gefürchtet und sich rechtens verhalten. Das Video gebe nicht die ganze Geschichte wider.
Staatsanwältin Alvarez verteidigte die lange Ermittlungszeit in dem Verfahren. Fälle mit Beteiligung von Polizisten seien juristisch sehr komplex. Die bevorstehende Veröffentlichung des Videos habe sie veranlasst, die Anklage jetzt bekannt zu machen. Es gebe Sorge, dass die Bilder Gewalt auslösen könnten. Sie seien explizit und erschütternd, sagte die Staatsanwältin.
Anklage als „Panikreaktion“
Doch einige Sozialarbeiter erklärten, es gebe keinen Zweifel daran, dass die Staatsanwältin erst nach der richterlich angeordneten Veröffentlichung des Polizeivideos ein Strafverfahren angestrengt habe. „Dies ist eine Panikreaktion auf eine institutionelle Krise im Strafrechtssystem“, sagte Bürgerrechtler Jesse Jackson. Er hoffe auf „massive“, aber friedliche Demonstrationen.
Tatsächlich Hunderte Menschen gingen kurz nach der Veröffentlichung des Videos in Chicago auf die Straßen. Die Demonstranten blockierten nahe der Westside den Verkehr. Einige umzingelten auf einer Kreuzung Polizeiwagen und skandierten die Parole „16 Schüsse“.
„Ich bin so verletzt und so sauer“, sagte Jedidiah Brown, Aktivist und Pastor im Süden von Chicago, mit Blick auf das Video.
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